Sonderbegabte gibt es überall

INKLUSION Ausgerechnet in Tenever findet ein Modell zur Förderung von Hochbegabung statt – „bundesweit einzigartig“, lobt die Karg-Stiftung

„Armut ist nicht gleichbedeutend mit Bildungsarmut.“

Maresi Lassek, Schulleiterin

Seit dem vergangenen Herbst gibt es an der Grundschule Pfälzer Weg und der Oberschule Koblenzer Straße einen besonderen Modellversuch: Es geht um die „Inklusion“ von besonders begabten Kindern. In der vergangenen Woche hat eine zweite Fortbildung stattgefunden, finanziert von der „Karg-Stiftung für hochbegabte Kinder und Jugendliche und ein begabungsgerechtes Bildungssystem“.

Der Stadtteil Tenever gilt als „Brennpunkt“-Stadtteil, in dem „Inklusion“ normalerweise auf Kinder mit Lern- und Verhaltensschwierigkeiten bezogen wird. Während in Bremen insgesamt im Durchschnitt jedes zweite Kind aus einer Familie mit Migrationshintergrund kommt, sind es in Tenever bis zu 90 Prozent. Aber, darauf verweist die Grundschulleiterin Maresi Lassek, für Bildungsforschern ist es kein Geheimnis, dass Sonder-Begabungen in bildungsfernen Bevölkerungsschichten genauso häufig sind wie in bildungsbürgerlichen Stadtteilen – rund zwei Prozent machen sie aus. Lassek: „Armut ist nicht gleichbedeutend mit Bildungsarmut.“ Oft sind besondere Begabungen gekoppelt mit einem wenig angepassten Sozialverhalten, als „Minderleister“ werden solche Kinder bezeichnet. Bei Kindern aus einem Migrationsmilieu kommt oft hinzu, dass sie in der Grundschule lesen und schreiben mit ihrer ersten Fremdsprache lernen – was große Anforderungen stellt und eine besondere Belastung ist.

Das zweite Problem ist dann, wie in der Schule solche Kinder gefördert werden können. An Schulen wie der Grundschule am Pfälzer Weg, die seit Jahren jahrgangsübergreifend arbeitet, ist das deutlich leichter als an Schulen, die von ihrem allgemeinen Konzept weniger gezwungen sind, zu differenzieren und das individuelle Lerntempo jedes Kindes zu akzeptieren.

„Geborgenheit“ zu erfahren ist auch für diese Kinder ein hohes Gut, das Überspringen von Klassen für viele also überhaupt keine gute Lösung, weil es die Probleme der sozialen Integration in die Gemeinschaft verschärft.

Die Sonderpädagogin Michaela Rastede, die an der Schule Koblenzer Straße Leiterin des Zentrums für Unterstützende Pädagogik (ZUP) ist und Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche betreut, hatte die Kenntnis von der Problematik verdeckter Hochbegabung von ihrem Studium mitgebracht und ihre Bremer Hochschullehrerin Simone Seitz zur Wissenschaftliche ist dann, wie in der Schule sn Begleitung des Projektes „Begabungsförderung in inklusiven Schulen“ gewonnen. Die bundesweite Karg-Stiftung, die ihr Geld dem Thema Hochbegabung widmet, war begeistert: „Das ist ein spannendes Projekt, weil sich hier eine Grundschule und eine nicht-gymnasiale Schule zur Hochbegabtenförderung bereit erklären“, sagt Ingmar Ahl, Vorstand der Karg-Stiftung. „Bundesweit einzigartig“ sei das Vorhaben. Der Stiftungsrat hat im Dezember 47.500 Euro bewilligt.