DAS WETTER: DER STILLE KONRAD

Der stille Konrad hatte schon seit drei Jahrzehnten kaum ein Wort gesprochen. Er hatte einfach keine Lust dazu, er mochte Sprache nicht. Irgendwann hatte er festgestellt, dass es sich auch trefflich leben lässt, wenn man einfach nichts mehr sagt. Worte waren ja so überflüssig. Wozu bedurfte er ihrer? Er konnte genauso gut beim Metzger auf eine Frikadelle zeigen, wenn er eine haben wollte. Er musste nicht „Eine Frikadelle, bitte!“ sagen. Je länger der stille Konrad schon geschwiegen hatte, desto größer wurde seine Verachtung für die Menschen, die es noch nötig hatten, sich eines so plumpen Werkzeuges zu bedienen, wie die Sprache eines war. Auch in der Liebe war der stille Konrad sehr erfolgreich. „Der Gebrauch der Sprache hört auf, wenn sich die Seelen einander unmittelbar mitteilen, sich unmittelbar anschauen und berühren und in einem Augenblick mehr empfinden, als die Zunge der Musen selbst in ganzen Jahren auszusprechen vermöchte“ pflegte er seinen bezauberten Gespielinnen ins Ohr zu säuseln. Ja, so war das mit dem stillen Konrad.