Konzentration auf die Kunst

AUSSTELLUNG Wer nach dem Politischen der Kunst sucht, wird in der Galerie Anselm Dreher fündig. Die dortige Schau „A State of Confusion, Excitement, and Trouble“ ist wie ein Gegengift gegen die laute Berlin Biennale

Gerade die Entscheidung für das Objekt zeigt, mit welch unterschiedlichen künstlerischen Strategien das politische Ereignis erfasst und im Werk manifest wird

VON SOPHIE JUNG

Politik und Protest sollen wieder im Zentrum der aktuellen Kunstproduktion stehen. Das fordert Artur Zmijewski, der Kurator der diesjährigen Berlin Biennale. Anselm Dreher nimmt Zmijewskis Aufruf zum Anlass, um in seiner Charlottenburger Galerie eine Auswahl künstlerischer Positionen, in denen Politik und Kunst zusammenfinden, zu präsentieren. Das Ergebnis ist eine zierliche, sehenswerte Retrospektive, die zugleich auf die 45-jährige Geschichte von Drehers Galerie zurückblicken lässt.

Mit einem Höhepunkt beginnt der Gang durch die Ausstellung: Wolf Vostells „B52“ von 1968. Die Siebdruckabbildung gleicht einem überdimensionierten Protest-Flugblatt; sie zeigt den gleichnamigen Kriegsflieger während seiner täglichen Bombardements über Vietnam. Doch anstelle der Sprengkörper lässt Vostell knallrote Lippenstifte in glitzernd goldener Fassung auf die schwarz-weiße Landschaft niederprasseln.

„B52“ ist Kriegs- und Kapitalismuskritik, derart poppig und klar, wie sie nur die 60er Jahre so gut hervorbringen konnten. Ebenso unmissverständlich bringt Costas Tsoclis seine Ablehnung der griechischen Militärdiktatur zum Ausdruck, wenn er bei seiner Installation auf 30 weißen Fahnen anstelle des griechischen Kreuzes in großen blauen Lettern das Wort „OXI“ (zu deutsch „Nein“) zum Staatssymbol erhebt.

Paparazzi-Blitze

Anselm Dreher hat die ausgestellten Arbeiten in chronologischer Anordnung auf die drei Räume der Galerie verteilt. Neigen die ersten Werke von 1968 und 1973 zu klaren, künstlerischen Parolen, so wenden sich die späteren Arbeiten einer psychologischen und subjektiven Betrachtung politischer Kräfte zu. Kryptisch und unheimlich ist der Beitrag von Dennis Adams mit dem Titel „Rudi Dutschke“ von 1989. Er zeigt eine Nahaufnahme von dem Gesicht eines toten Mannes. Vergebens aber sucht man in den erschlafften Zügen Rudi Dutschke. Im Loop läuft in einem zweiten Raum die Videoarbeit von Ange Leccia, in der die Aufnahme einer Schauspielerin im Blitzgewitter der Paparazzi mit Bildern der nuklearen Zerstörung in Hiroshima und Nagasaki verschmilzt.

Das massive Holzfundament des Künstlerduos Köbberling & Kaltwasser dominiert den dritten Raum. Schon mehrmals haben die beiden Berliner diese Andeutung eines türkischen Gececondu-Hauses, einer improvisierten Wohnstätte, bei Anselm Dreher ausgestellt. Dieses Mal nutzt der Künstler Thomas Eller das Fundament, um es mit seinen kleinen Managerfigürchen zu bevölkern: Auf 50 ausgeschnittenen Selbstporträts mimt Eller die glatten Posen eines klassischen Businesstypen nach und erschafft in der ständigen Wiederholung seiner selbst eine beängstigende Schar austauschbarer Geschäftsmänner.

Im gleichen Raum bezieht Jochen Gerz Position zum wiedervereinigten Deutschland. Im Stil der 90er Jahre kombiniert er schwarz-weiße Fotografien mit knallroter Blockschrift. „Erase the Past“ heißt es dann zu den romantischen Aufnahmen eines Jagdgebietes an der Grenze zu West-Berlin, in dem DDR-Funktionäre ihre Hirsche erlegten.

Vietnamkrieg, nukleare Bedrohung, der Fall der Mauer und die die entmenschlichte Businesswelt: Dreher verhandelt die großen politischen Themenfelder der letzten 50 Jahre. So erleichtert er den inhaltlichen Zugang zu den Arbeiten und konzentriert sich auf die Kunst selbst. Im Gegensatz zu Artur Zmijewskis gegenwärtigen Parolen, die eine Kunst jenseits des Materiellen, in Form von politischer Aktion und Provokation fordern, bleibt Dreher in der Herangehensweise klassisch: Er präsentiert Kunstwerke, physische Gegenstände. Gerade diese Entscheidung für das Objekt zeigt auf plastische Weise, mit welch unterschiedlichen künstlerischen Strategien das politische Ereignis erfasst und im Werk manifest wird. Vielleicht schweigen die Kunstwerke von Vostell, Eller und den anderen, während auf der Biennale geschrien wird. Doch gerade in ihrem materiellen Vorhandensein beleben sie eine kritische Reflexion über Inhalt, Aussage und Form des politischen Kunstschaffens.

■ „A State of Confusion, Excitement, and Trouble“. Galerie Anselm Dreher, Pfalzburger Straße 80, bis zum 25. Mai 2012