das wird: „Ich spiele mit Klischees“
Eigentlich macht Osman Engin keine Lesungen, während er am Roman arbeitet. Am Feiertag in Bremen Tenever macht er eine Ausnahme
Interview Benno Schirrmeister
taz: Bin ich pünktlich, Osman Engin?
Osman Engin: Sehr. Mein Computer zeigt genau 12.00 Uhr.
Gut. Ich dachte, ich muss ja dem Klischee entsprechen …
Ich bin inzwischen auch so. Wenn ich mich mit jemandem im Café verabrede, bin ich zehn Minuten vorher da, um ja nicht zu spät zu kommen. In der Türkei führt das zu Problemen …
Wie wichtig sind Klischees für Deine Arbeit?
Sehr. Ich spiele ja mit Klischees und mache mich über sie lustig, um zu zeigen, wie falsch manche Vorurteile sind.
Das funktioniert?
Ich glaube, schon. Einmal hatte ich eine Dame in einer Lesung, die hat mir gesagt: Durch meine Geschichten hat sie verstanden, dass ihr türkischer Nachbar genauso ist wie sie. Dass er auch arbeiten geht, Blumen gießt und Fernsehen schaut.
Osman Engin61, ist Satiriker, Bremer und taz-Kolumnist.
Woraus liest Du am Dienstag?
Der neue Roman ist ja noch nicht fertig, also lese ich aus so ziemlich allem, was in den vergangenen Jahren entstanden ist. Eigentlich mache ich ja keine Lesungen, während ich am Roman arbeite. Aber der Verein …
… das Zentrum für Migranten und interkulturelle Studien …
… die haben so früh gefragt und wir kennen uns schon so lange. Es ist auch in einem Viertel, in dem ich eine kleine Fangemeinde habe, das etwas abseits liegt und wo nicht so viele Veranstaltungen stattfinden. Da konnte ich nicht Nein sagen.
Auch, um dort den Feiertag zu begehen?
Meistens lese ich am Feiertag woanders. Zum Beispiel war ich vor ein paar Jahren zum Festakt im Sächsischen Landtag eingeladen. Daraus habe ich später auch eine Geschichte gemacht, die ich am Dienstag vorlese.
Lesung: Osman Engin, 3. 10., 18 Uhr, Café Schweizer Viertel, St.-Gotthard-Str. 37, Bremen
Was ist denn passiert?
Na, es waren alle Landtagsfraktionen da. Auch die NPD. Die waren so richtig in Montur gekommen und haben an keiner Stelle gelacht: Die verstehen halt nicht nur nichts von Politik, sondern auch nichts von Satire. Nachher hatten dann alle Parteien Stände, SPD, CDU, Grüne. Zu denen ist aber niemand gegangen. Nur bei der NPD, das war fast wie beim Volksfest, da haben sich die Leute gedrängt, vom Opa bis zum Kleinkind.
Wie unangenehm.
Ja. Seitdem weiß ich: Das ist kein bloßes Vorurteil, dass im Osten die Rechten stark verankert sind.
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