Ausgetrunken

Amtsgericht verurteilt Mutter, die ihre drei kleinen Kinder mehrfach schwer vernachlässigt hat. Die leben inzwischen bei einer Pflegefamilie

Von Elke Spanner

Niemand weiß, wie oft die Kinder von Kirsten G. allein und unversorgt geblieben sind. Im Oktober 2001 war sie wegen Vernachlässigung ihrer Sprößlinge zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden, zwei Monate später ließ sie die drei Kleinkinder wieder fast 24 Stunden allein. Kirsten G. ist Alkoholikerin, und sobald sie zu trinken beginnt, kennt sie nur noch den Schnaps. Gestern hat das Amtsgericht Barmbek die jetzt 41-Jährige wegen Aussetzung und Vernachlässigung ihrer Kinder verurteilt, erneut zu einer Bewährungsstrafe – die Kinder leben inzwischen bei einer Pflegefamilie, weitere Misshandlungen drohen nicht. Zudem muss sie 350 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Dass die damals sechs Monate alte Jeanette und der zweijährige Pascal den Neujahrstag 2002 glimpflich überstanden, haben sie ihrer Schwester Yvonne zu verdanken. Der kleine Bruder lag bereits apathisch auf dem Boden, auch die kleine Schwester zeigte Anzeichen von Austrocknung, da ging die Dreijährige an die Gegensprechanlage und rief um Hilfe. Eine Nachbarin hörte sie und erklärte ihr, wie sie die Tür öffnen könne. Die Nachbarin alarmierte die Polizei, die informierte den Vater der Kinder. Der fand Kirsten G. schließlich in einer Kneipe auf St. Pauli.

Zu dem Zeitpunkt waren die Kinder ausgehungert, entwässert und von Urin durchnässt. Ein medizinischer Sachverständiger wies in seinem Bericht zudem auf die seelischen Folgen hin, die die Kinder erlitten hätten: „Es liegt auf der Hand, dass ein Kind, das aufgrund des Verlassenseins große Ängste ausstehen muss, mehr als nur unerheblichen Schaden nimmt.“

Die Kinder mussten immer wieder unter dem Alkoholismus der Mutter leiden. Pascal war erst zehn Tage alt, als er ins Krankenhaus kam – seine Mutter hatte den Säugling zehn Stunden alleine gelassen. Zwei Monate später waren es dann 30 Stunden, die die Kinder unversorgt geblieben sind. Nachdem Kirsten G. dafür im Oktober 2001 verurteilt worden war, kamen zweimal die Woche MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt zur Familie, am Wochenende zusätzlich ein Pflegedienst. Vor jener Silvesternacht hatten die Betreuer sie noch gefragt, ob sie das ohne Alkohol schaffen würde, und sie hatte ja gesagt. „Ich weiß, ich hätte nichts trinken dürfen.“

Inzwischen hat sie eine Alkoholtherapie gemacht. Und eingesehen, dass die Kinder in der Pflegefamilie besser aufgehoben sind. Ihren Antrag, sie zurückzubekommen, zog sie zurück. Eines Tages wolle sie vielleicht wieder mit ihren Kindern zusammenleben, sagte ihre Anwältin gestern. „Aber dieser Tag wird nicht in den nächsten Jahren sein.“