berliner szenen Teilnehmen

Und beobachten

Ich schaue in das spiegelnde Schaufenster von „Kauf dich glücklich“ und beobachte mich dabei, wie ich mich beobachte. Ich versuche ein leidendes Gesicht zu machen. Es berührt mich peinlich, und ich muss lachen. Kein leidendes Gesicht.

Mitleid geht auch, denke ich mir. Ich mache ein mitleidiges Gesicht. Wenn man sich selber mitleidig ins Gesicht schaut, geht das dann als Selbstmitleid durch?, frage ich mich und dabei verändert sich das mitleidige Gesicht in ein nachdenkliches. Ein Waffel essendes Pärchen schaut von drinnen zu mir heraus.

Kann man als ständiger Beobachter auch Protagonistin sein?

Mit dem Bedürfnis, zwischen den Zeilen zu lesen, das Ungesagte zu hören, um auf jede Aktion reagieren zu können, bugsiert man sich in die Rolle des teilnehmenden Beobachters. Ich bin der teilnehmende Beobachter in meinem Leben. Anstrengend! Warum riechen Waffeln immer besser, als sie schmecken?

Ich beobachte mich dabei, wie sich mein Glücksgefühl der letzten Wochen in etwas anderes verwandelt. Aber weil ich mich so sehr dabei beobachte, vergesse ich den zu erwartenden Schmerz zu leben. Man kann hier nicht nur Waffeln essen, sondern auch die Möbel kaufen, auf und an denen man sitzt, während man isst.

In der teilnehmenden Beobachtung gibt es einen Begriff dafür, going native: Die Gefahr, dass der Forscher, der teilnhemende Beobachter also, zu sehr eintaucht in das Leben, den Kulturkreis, den er beobachtet, so dass er nicht beobachten kann, weil er nur teilnimmt.

Genau umgekehrt kommt es mir manchmal vor, als ob ich vor lauter Beobachtung vergesse, an meinem eigenen Leben teilzunehmen. Ich gehe in den Laden und kaufe mir ein große Waffel mit Sahne. MAREIKE BARMEYER