Linke puzzeln getrennt vor sich hin

Auf Bundesebene streben PDS und die Linkspartei WASG ein Bündnis an. Ihre Berliner Landesverbände stehen sich aber unversöhnlich gegenüber. Sie greifen beide zur guten alten Dialektik, um eine Kooperation im Bund nicht zu gefährden

Die PDS ist in Dialektik geschult. Da fällt es den Berliner Genossen nicht schwer, Gegensätze miteinander zu vereinen. Etwa den, dass die Hauptstadt-PDS dem hiesigen WASG-Landesverband in spe herzlich abgeneigt gegenübersteht, während ihre beiden Bundesverbände kurz vor einer Kooperation stehen.

Die Berliner Lösung klingt beispielsweise so: „Derzeit führen wir keine Gespräche mit der WASG. Das ist auch richtig, weil die wichtigen Verhandlungen auf Bundesebene geführt werden“, sagt PDS-Landeschef Stefan Liebich.

Die Genossen nehmen es der Wahlalternative noch immer übel, dass die den rot-roten Senat Ende vergangenen Jahres mit einem Volksbegehren von der Macht verdrängen wollte.

Die Regierungspartei PDS sieht mit einer Mischung aus Wut und Hohn auf die Pläne der WASG, etwa den Ausbau des öffentlichen Dienstes: „Solche Forderungen lassen sich nicht einlösen, weil sie nicht von dieser Welt sind“, sagt Liebich. Hier kommt wieder der Dualismus ins Spiel: „Aber die WASG-Bundesebene hat eh andere Vorstellungen als die Berliner.“

Anknüpfungspunkte sieht Liebich bei der Sicht auf die Arbeitsmarkt-Reform Hartz IV. Zwar sei die PDS gezwungen, solche Bundesvorgaben in Berlin umzusetzen. Doch habe sich dadurch der Protest dagegen nicht erledigt.

Die Stimmung unter den laut PDS 10.400 Parteimitgliedern sei „sehr durchwachsen“, sagt Parteichef Liebich. Manche Sozialisten hat Euphorie gepackt: Endlich entstehe ein Bündnis links von der SPD. Darin zeigt sich die Frustration der PDS, auch fast 15 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht den Sprung in die westlichen Bundesländer geschafft zu haben. Die Furcht vor einer vergreisenden Regionalpartei Ost, nicht nur in Berlin verbreitet, wendet sich zur Hoffnung auf eine Neugeburt.

Der Euphorie der einen steht die Sorge anderer PDSler in Berlin entgegen: „Mancher sorgt sich, dass die Partei ihre Identität verlieren könnte“, sagt Liebich. Und das bei einem derzeitigen Mitgliederverhältnis von 25:1.

Ihre Landeslistenplätze will die Hauptstadt-PDS nicht mit der WASG teilen. Liebichs Begründung: „Wir erhoffen drei, wenn nicht sogar fünf Direktmandate. Für eine aussichtsreiche Landesliste bleibt da kein Platz.“

MATTHIAS LOHRE

Das Verhältnis der „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ (WASG) zur hiesigen PDS ist so eisig wie ein Drei-Sterne-Gefrierfach. Dies liegt an der Geschichte des Landesverbandes in spe: Er gründete sich größtenteils auch wegen der – aus WASG-Sicht – unsozialen Regierungspolitik der PDS. Fast die Hälfte der Wahlalternativler, die auf entscheidenden Funktionen in Landesvorstand und Bezirken sitzen, sind gefrustete Ex-PDSler. „Ich würde mit meiner Schwiegermutter im Garten grillen, aber niemals ein paar Wochen in Urlaub fahren“, charakterisiert Helge Meves, Mitglied im kommissarischen Landesvorstand, sein Verhältnis zu den Sozialisten.

Niemals auf Landesebene, im Bund aber gerne, so lautet knapp zusammengefasst die Botschaft aus der Berliner WASG. „Die Linke hat jahrzehntelange Erfahrung damit, sich zu spalten“, sagt Meves. „Jetzt gibt es die historische Chance, eine wahre parlamentarische Linke zu stellen.“ Ähnlich denkt Rouzbeh Taheri, der ebenfalls im Vorstand sitzt. Den eigenen Landesverband sieht er in der Frage aber gespalten. Taheri prognostiziert für eine Urabstimmung über die Bundesfusion ein 50:50-Votum unter den rund 400 Berliner Mitgliedern.

Die Kehrseite der Hassliebe der WASG zur PDS zeigt sich im Land. Eine Zusammenarbeit der Parteien bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 ist so gut wie ausgeschlossen. Dafür reicht ein Blick in das visionäre WASG-Programm: Sie tritt zum Beispiel ein für ein Mindesteinkommen für Arbeitslose und Stützeempfänger 30 Prozent über der Armutsgrenze, für 100.000 öffentlich finanzierte Jobs und gegen den Verkauf landeseigener Betriebe. Die PDS setzt in der rot-roten Koalition Hartz IV um, schrumpft den öffentlichen Dienst und hat die Wohnungsbaugesellschaft GSW verkauft. Um bei dem Bild zu bleiben: Anstatt mit der Berliner PDS zusammenzuarbeiten, würden Meves, Taheri und Co. wohl lieber ihre Schwiegermütter im Wohnzimmer einziehen lassen.

Es sind also Vorbereitungen für einen eigenständigen Wahlkampf, die voranschreiten. Am 18. und 19. Juni sollen auf einem Gründungsparteitag offiziell der Landesverband und -vorstand bestätigt werden. Natürlich tagt die WASG ganz bürgernah – in einer Jugendherberge in Karlshorst. ULRICH SCHULTE