berliner szenen
: Hagebutten sind Rosen­früchte

So viel Unkraut habe ich noch nie in meinem Leben gejätet. Völlig geschafft chille ich mich in den dauerfeuchten Liegestuhl. Ihn haben mir meine Kleingartenvorgänger großzügig hinterlassen. Ebenso wie die Stümpfe zweier Fliederbäume, eine U-förmige Hecke mitten im Rasen und einen zerfallenen, von Asbest geplagten Schuppen. Die Erde ist eher Staub, der mir bis zur nächsten Dusche auf der Haut kleben wird. Würmer sind selten. Dafür haben mir meine Vorgänger reichlich Rosenbüsche hinterlassen. Gerade blühen sie in allerlei Farben auf und, mit Kippe im Maul, genieße ich sie. Da wird mein wohlverdienter Genuss unterbrochen. Der Vereinsvorstand steht plötzlich am Zaun und teilt mir unverständlich irgendwas mit. „Wie bitte?“, frage ich höflich und gehe zu ihm herrüber. „… die Rosen! Ganz wild! Die müssen Sie beschneiden!“

Ich bin ganz neues Mitglied der Kleingartenkultur und habe die Etikette noch nicht verinnerlicht. Zum Beispiel wusste ich noch nicht, dass Hagebutten unerwünscht sind. Ich hatte nicht mal begriffen, dass meine Rosenpflanze und meine Hagebuttenpflanze ein und dieselbe ist. Ich habe nur begriffen, dass der vor mir stehende Mann total irre ist. Meine Hecke sei zu hoch, mein Rasen zu blumig, und warum habe ich eigentlich keine Kartoffeln angebaut? Mit Zeige- und Mittelfinger macht Herr Vorstand eine Geste, die an eine Schere erinnern soll. „Abschneiden“, faucht er. „Ganz wild.“

Einige Monate später bekomme ich eine Abmahnung aufgrund mangelnder Kartoffeln und der hässlichen Hecke, die eine Höhe von über 120 cm hat. Egal, ich hab noch Zeit, bis die Äpfel vom Baum fallen und die Hagebutten reifen. Nicht, dass ich keine Kartoffeln mag, ich kenne mich halt noch nicht so gut mit dem Gärtnern aus. Und ich finde Hagebuttentee ganz lecker. Nina Kashi Street