zukunft: Die Dönerrevolution
Früher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein Jahr voraus.
Wir schreiben das Jahr 2051. Der 25. September wird als weiterer Tiefpunkt in die Menschheitsgeschichte eingehen: Am „Tag der Dreistelligkeit“ soll der Döner im Brot erstmals über hundert Euro kosten. Die Rohstoffpreise. Knochenmehl, Kleister, Farbstoff.
„Statt Knoblauch, Kräuter, Scharf, Salat komplett?“, heißt es von nun an, „Kredit ist nicht, Lan, aber die Uhr an deinem Handgelenk sieht teuer aus. Dafür geb ich dir sogar noch ein Ayran dazu.“ Selbst Nieren sollen schon unter dem Ladentisch gegen ein Dönerjahresabo die Besitzer gewechselt haben.
Begründet wird die Teuerung mit den Spätfolgen des russischen Imperialismus. Auch nach dem Zerfall in Tausende Regionen von der Größe des Saarlands verbreitet die ehemalige Großmacht im Rest der Welt einen Hauch wie Hundescheiße im Wohnzimmerteppich.
Immerhin kann man sich jetzt mit Fisch tot schmeißen, seit die Küsten überall näher gerückt sind. „Wo mehr Meer ist, ist mehr Fisch“, lautet dazu der trockene Kommentar meines Futurologen Zbigniew.
Das Wehgeschrei ist trotzdem gewaltig, denn sieben Generationen bierseliger Heimkehrer können nicht irren: Es gibt nur ein Lebensmittel, das in der Lage ist, dem berüchtigten Saufhunger die Stirn zu bieten: Good old Fleischabfällebrötchen.
Die lange Schlange Elender, die vor „Mustafas Lachshäppchen“ am Berliner Mehringdamm ansteht, weil sie sich weder Döner noch Currywurst leisten können, spricht Bände. Seit bei den „Dönerrevolution“ genannten Unruhen letzte Woche Protestierende erschossen wurden, ist es gespenstisch ruhig in den Straßen. Doch es brodelt im Volk. „Bockwurst bald nur noch für Millionäre?“
Uli Hannemann
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