brief des tages
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Opfer struktureller Gewalt

„Sie haben ihm sogar noch ein Denkmal gebaut“, taz vom 27. 9. 23

In der Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen über die von Kardinal Hengsbach ausgeübte sexuelle Gewalt fällt eines besonders auf: Wie wenig an den Aussagen der Betroffenen gezweifelt wird und wie stark die Vorverurteilung der Geistlichen in der Gesellschaft ist.

Es ist richtig, die Aussagen von Opfern und Betroffenen nicht zu hinterfragen, für alle Menschen muss die Unschuldsvermutung gelten und Machtmissbrauch und Straftaten sexualisierter Gewalt müssen geahndet werden. Ich würde mir jedoch wünschen, dass dies auch im Falle von strukturellem Sexismus und Rassismus gelten würde. Auch Opfer von struktureller Gewalt anderer Arten haben ein Recht auf Entschädigung. Die Berichterstattung und der Diskurs über den Lindemann-Prozess weist eine andere Färbung auf. Dies wirft Fragen auf: Welche Opfer werden gehört? Und welche Taten ahnden wir? Es schien selbstverständlich zu sein, die Statue des Kardinals unverzüglich zu entfernen. Die Statuen von Kolonialherren, die Genozide befohlen haben, stehen noch immer, wo sie waren und Rammstein tritt ebenfalls weiter auf. Katrin Schlechtrimen, Bochum