Europäische gegen Christliche Union

EU-Energiekommissar Piebalgs plädiert auf dem VDEW-Kongress für den weiteren Ausbau der Öko-Energie und spricht sich gegen Wende in der Energiepolitik aus. Vattenfall-Chef Lars Josefsson glaubt dagegen an Renaissance der Atomkraft

AUS BERLIN UND PORJUS HANNES KOCH, STEPHAN KOSCH

Einen Dämpfer erhalten hat die Strategie von Angela Merkel (CDU) und des Strom-Verbandes VDEW, die rot-grüne Energiewende rückgängig zu machen. Beim Kongress des VDEW in Berlin sprach sich EU-Energiekommissar Andris Piebalgs gestern für den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Europäischen Union aus. Zugleich lehnte Piebalgs eine schnelle Vereinheitlichung der unterschiedlichen Förderprogramme in den Mitgliedsländern ab.

Der Verband der Deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW) verlangt, das von Rot-Grün eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abzuschaffen. In diesem Anliegen wird er von der Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, teilweise unterstützt. Ein Argument des Stromverbandes: Die deutsche Förderung sei nicht EU-tauglich und müsse mit den Fördersystemen der anderen Länder vereinheitlicht werden.

„Erst wenn ein Gesamtbild deutlich wird, lässt sich aufzeigen, in welche Richtung eine notwendige, langfristige Strategie gehen sollte“, sagte Piebalgs. Die Kommission werde daher die 25 aktuell völlig unterschiedlichen Förderungen von Ökostrom detailliert analysieren. Nach dem derzeitigem Kurs werde die EU bis 2010 rund 18 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien verbrauchen, verabredetes Ziel seien aber 22 Prozent.

„Grundsätzlich steht eine Förderung von Windkraft, Sonnenenergie oder Biomasse in Einklang mit dem langfristigen Ziel der EU, die Importabhängigkeit von Energie zu verringern“, erklärte der Energiekommissar. Aktuell liege die Importquote bei Primärenergieträgern bei 50 Prozent. „Falls die aktuellen Trends anhalten, wird die EU-Importquote bis zum Jahr 2030 auf 70 Prozent steigen“, sagte Piebalgs. Europa brauche zur Verringerung der Importabhängigkeit und Sicherung der Versorgung einen breiten Energiemix. Neben erneuerbaren Energien seien dabei die Atomkraft, aber auch die Kohle unverzichtbar. „Die Kohle muss aus Gründen der Versorgungssicherheit weiterhin eine wichtige Rolle im Energieträgermix Europas spielen“, sagte Piebalgs.

Der VDEW schlägt vor, das rot-grüne EEG durch ein Quotenmodell zu ersetzen, bei dem der Zuwachs der Versorgung aus Wind-, Sonnen-, Wasser- und Biomasse-Energie beschränkt würde. Dieser Plan ist wesentlich von Europas größtem Energiekonzern inspiriert – von Eon. Andere Unternehmen sind da weniger enthusiastisch. Zum Beispiel die südwestdeutsche EnBW, die das EEG der rot-grünen Bundesregierung unterstützt. Ein EnBW-Sprecher sagte gestern der taz: „Mir liegen die Details des VDEW-Konzepts noch nicht vor.“ Offiziell waren sie aber am Vortag auf dem Kongress vorgestellt worden.

Unterdessen hat sich der Vorstandsvorsitzende des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall AB, Lars Josefsson, für eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken ausgesprochen. Dies hatte Kanzlerkandidatin Merkel auf dem VDEW-Kongress erneut in Aussicht gestellt. „Wenn dies geschieht, würden wir das begrüßen“, sagte Josefsson in dieser Woche im schwedischen Porjus. Vattenfall ist über seine Tochter Vattenfall Europe Anteilseigener an den drei norddeutschen Atomkraftwerken Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf. Das vierte AKW in Stade ist eines der bereits stillgelegten.

Josefsson begründete seine Haltung mit dem zu erwartenden Wegfall von Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland in den kommenden Jahren. Im Jahr 2020 würden voraussichtlich 40.000 Megawatt Kapazität fehlen. „Würden 20.000 Megawatt weiterhin mit Kernkraft produziert, würde dies das Problem um die Hälfte reduzieren“, sagte der Vattenfall-Chef.

Josefsson rechnet aber auch damit, dass die Atomenergie im kommenden Jahrzehnt in Deutschland eine Renaissance erleben werde. Vor dem Hintergrund des Kioto-Ziels und der damit verbunden Verpflichtung, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu reduzieren, sei er der Meinung, „dass spätestens in zehn Jahren der Bau von neuen Atomkraftwerken wieder ein Thema wird“.