wortwechsel
: Klimabewegung muss weiterwachsen

Wie macht man den Menschen klar, dass Luxus und Konsum ihre Grenzen haben? Die Klimabewegung leidet unter Mitgliederschwund. Alles zusammen ist das problematisch

Fridays for Future in Berlin   Foto: Pierre Adenis

„Friday der 13.“, „Bitte wieder lauter!“, „Brauchen wir die Fridays noch?“

taz vom 17. 9. 23

Achtungserfolg für FFF

Eingängig die Expertise vom taz-Autor Kai Schöneberg. Ganz im Sinne der Neuen Frankfurter Schule „Die schärfsten Kritiker der Elche sind selber welche.“ Es wird zitiert (legendäres „How dare you“-Transpi FFF bei Ankunft Merkel, zurück vom UN-Klimagipfel 2019 auf TXL) und hier gegen FFF gewandt. Und angeklagt „wo seid ihr geblieben, liebe Fridays?“. Das können wir natürlich auch den Autor fragen, wo ist seine Bilanz der Klimawirksamkeit in seinem Engagement?

Wenn diesmal 10 bis 20 Prozent im Vergleich zu 2019 auf der Straße waren, so ist das unbedingt ein Achtungserfolg für FFF. „Überlebende“ auf dem schmalen Grat zwischen Burn-out und Enttäuschung in der Verdrängungskultur. Statt FFF weiter in den Burn-out zu treiben war ich glücklich und dankbar, einmal mehr mit FFF die Chance bekommen zu haben, gemeinsam verlässlich belastbare Klimapolitik auf der Straße einzufordern. Carl Budde, Berlin

Konsum und Luxus

Zum fünften Jahrestag von FFF (Fridays for Future) beschreibt Katharina Schipkowski den Zustand der Gruppe: Mitgliederschwund, Selbst-Bürokratisisierung, Orientierungslosigkeit und eine zunehmende Entfremdung vom Rest der Bevölkerung. Schipkowski scheint nach alternativen Strategien für FFF zu suchen.

Das ist ein Fehler. Verfehlt eine Partei oder eine Bewegung ihr Ziel, ist oft schnell die Rede davon, dass sie nicht verstehe, was ihre Wähler und Anhänger wollen, sie den Kontakt zu den einfachen Leuten verloren habe, sie die Sorgen und Nöte der Menschen verkenne. Dieser Tenor klingt auch bei der Manöverkritik an FFF an.

Das große Tabu in allen Zeitungen und Talkshows ist, dass der Wählerwille selbst niemals angezweifelt werden darf. Der Volkswille muss erfüllt werden, was die „einfachen Leute“ wünschen muss umgesetzt werden. Das ist das Problem.

Klammern wir Menschen in echter Armut oder mit echten Schicksalsschlägen einmal aus, dann bleibt in Deutschland immer noch eine beachtliche Anzahl von Menschen übrig, die auf großem Fuß leben. Mehrere Flugreisen im Jahr, sichere Einkommen, große Autos, häufig beim Essenservice bestellen, schicke Klamotten und ständig neue Techno-Gadgets gehören zum Warenkorb. Ich kenne persönlich viele solche Menschen mit hohem Lebensstandard, die sich selbst als Teil „der einfachen Leute unten“ sehen und abgrenzen zu „denen da oben“ oder zu „denen in Berlin“. Und jede Diskussion Richtung Klimaschutz mit ihnen war bisher völlig zwecklos. Nicht den geringsten Abstrich am üppigen Lebensstil darf man erwähnen. Tut man es doch, egal wie einfühlsam, droht ein Ende der Freundschaft.

Das Problem der Klimabewegung sind nicht die Aktivisten. Das Problem der Klimabewegung sind die utopischen Forderungen der Wähler nach immer mehr Konsum und Luxus, immer mehr staatlicher Sicherheit, immer mehr Einkommen und immer mehr Wohlgefühl in allen Lebenslagen. Die zielführende Frage ist nicht die, was die Klimabewegung als Arzt vielleicht falsch macht, sondern ob die Masse der Wähler als Patient nicht völlig den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat.

Gunter Heim, Vaals (Niederlande)

Verantwortung übernehmen

Eine Demokratie braucht beim Klima-Streik jede Form des Protestes auch wenn die Politik sich weigert nachzuschärfen, um die selbst gesteckten Ziele der Klimaneutralität zu erreichen.

Die „Spaltung“ der Gesellschaft beginnt mit der nicht ausreichenden politischen Verantwortung, alles zu tun – den CO2-Ausstoß signifikant und dauerhaft zu senken. Die richtige Reihenfolge der Zuordnung von Spaltung hat ihren Ursprung – nicht bei den Aktionen der Fridays, sondern einer überwiegend passiven Gesellschaft, keine eigene Verantwortung übernehmen zu wollen und alles der Politik zu überlassen.

Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg

Falscher Adressat

Den berechtigten Wunsch, die Klimabewegung möge wieder wachsen, lauter werden und erneut die Tagesordnung bestimmen – diesen Wunsch ausgerechnet als Vorwurf an die Klimabewegung selber zu formulieren muss schon als äußerst verunglückt bezeichnet werden. Sind es doch gerade diejenigen, die nicht in der Klimabewegung aktiv sind, die hier als Adressaten angesprochen werden müssten. Dirk Heinen, Kall

Gegen die Aktivisten

Liebe taz, wenn ihr mit einem einzigen Kommentar eure junge Leserinnenschaft gegen euch aufbringen wolltet – bravo, mit diesem unsäglich arroganten Text an „die Fridays“ habt ihr es geschafft. Selten einen derart dummen Artikel in der taz gelesen. Nils Kaczenski, Hannover

„How dare you!“

Ich würde ja gerne halbwegs nett sagen, was ich zu diesem Artikel denke. Aber ich komme nicht weg von Greta Thunbergs „How dare you!“ FFF ist auch heute noch eine Bewegung von jungen Menschen. Ihre Generation wird die Folgen der Klimakrise heftigst zu spüren bekommen.

Vielen davon wurden die zentralen Jahre ihrer Jugend durch die Pandemie gecrasht. Und nachdem sie einige von uns nun endlich wachgerüttelt haben, sollen sie wieder die Welt retten? Das ist verdammt noch mal nicht ihr Job. Das ist unserer. Unsere Generation (+ die unserer Eltern) hat den Karren gegen die Wand gefahren. WIR sollten endlich etwas TUN anstatt die Verantwortung auf Jugendliche abzuschieben. WIR sind nämlich auch diejenigen, die etwas tun könnten. Die Entscheidungen treffen, Geschicke von Politik und Wirtschaft lenken. Und wir geben den Schwarzen Peter wieder an Schüler und Studenten? Da fällt mir wirklich nichts mehr zu ein.

Katemckenzie auf taz.de