Keine Strafe auf Verdacht

Bundesgerichtshof weist im Hamburger Terrorprozess die Revision der Bundesanwaltschaft zurück. Freispruch aus Mangel an Beweisen rechtskräftig

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Gestern wurde das weltweit erste Verfahren wegen der Anschläge vom 11. 9. 2001 abgeschlossen. Es endete mit einem Freispruch für den in Hamburg lebenden marokkanischen Studenten Abdelghani Mzoudi. Der Bundesgerichtshof bestätigte damit den Freispruch Mzoudis beim Oberlandesgericht (OLG) Hamburg und wies die Revision der Bundesanwaltschaft, die Mzoudi hinter Gittern sehen wollte, zurück.

Mzoudi war mit den Attentätern um Mohammed Atta gut befreundet, radikalisierte sich wie sie und war auch in einem Ausbildungscamp der al-Qaida. Es konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, dass er von den Anschlagsplänen seiner Freunde wusste. Bekannt war nur, dass er für sie kleine Freundschaftsdienste wie Überweisungen durchführte, die aber an sich nicht strafbar sind. Mzoudi bestritt immer, dass er in die Terroraktivitäten eingeweiht war.

Im Februar 2004 sprach das Oberlandesgericht Mzoudi frei – nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Doch Generalbundesanwalt Kay Nehm gab nicht auf und ging in die Revision. Er verlangte eine Bestrafung wegen Beihilfe zum 3.000-fachen Mord sowie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Bundesanwaltschaft bemängelte insbesondere Fehler bei der Beweiswürdigung.

Doch der 3. Strafsenat des BGH hat den Freispruch gestern bestätigt. Ausführlich erinnerte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf daran, dass in der Revision eigentlich nur noch Rechtsfehler geprüft werden und keine neue Beweiswürdigung stattfinde. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei groben Denkfehlern des OLG, hätte die Revision Erfolg haben können. Tatsächlich habe das OLG aber die von Nehm vermisste „Gesamtwürdigung“ der Beweise durchaus vorgenommen. Der BGH rügte nur einen kleineren Fehler, auf den das OLG-Urteil aber nicht aufbaute, weshalb der Freispruch bestehen blieb.

„Es gibt im geltenden Recht keine Sonderregeln für Terrorverdächtige“, stellte Tolksdorf klar, „weder bei der Beweiswürdigung noch bei der Überprüfung in der Revision.“ Dies hatte in der Verhandlung aber auch die Bundesanwaltschaft nicht verlangt. Allerdings hatte Nehm im Mai bei einer Tagung des Deutschen Anwaltvereins den BGH und das OLG Hamburg scharf angegriffen. Er wolle zwar kein „Feindstrafrecht“ mit schärferen Standards für Terrorverdächtige, aber auch kein „Freundstrafrecht“, in dem die Islamisten „nur deshalb geschont werden, weil uns – zu Recht – Guantánamo auf der Seele brennt.“

Gestern bekam Nehm die Quittung. Seine Äußerungen zeigten, so Tolksdorf, wie notwendig es sei, dass letztlich unabhängige Gerichte und nicht die Strafverfolger selbst das Strafurteil sprächen. Den Richtern fehle nämlich derartige „innere Leidenschaft“, die gerade bei Terrorverfahren der Rechtsprechung „eher abträglich ist“.

Die Entscheidung enthält – weil sie vor allem die Eigenverantwortung der ersten Instanz betont – keine Vorgaben für das Parallelverfahren gegen Mzoudis Landsmann Mounir al-Motassadeq. Dieser war wegen ganz ähnlicher Vorwürfe zunächst zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Dann hob aber der BGH das Urteil auf. Das OLG hätte die Sperrung wichtiger Zeugen und Unterlagen durch die USA bei der Beweiswürdigung stärker zugunsten des Marokkaners berücksichtigen müssen. Derzeit läuft in Hamburg die Neuauflage des Prozesses gegen Motassadeq. Das Urteil wird für den 19. August erwartet. Az: 3 StR 269/04