Ein sehr alter Fahrensmann

Kurt Beck scheint eine große Zukunft zu haben. Als Kanzlerkandidat, zumindest aber als neuer SPD-Vorsitzender. Für beide Posten wird der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz derzeit gehandelt. Ein kometenhafter Aufstieg für einen Politiker, der seit 26 Jahren in seiner Heimat wirkt. Und nur dort.

Beck mag die neue Lichtgestalt der SPD sein, aber eines kann er erwiesenermaßen nicht: in die Zukunft schauen. Sonst hätte er sich kaum ausgerechnet diese Woche als Termin für die traditionelle Medien-Sommerreise ausgesucht. Dumm gelaufen. Zwei Tage lang wurde er von hungrigen Journalisten verfolgt, die jede Geste interpretierten und gierig auf einen Fehler warteten.

Der 56-Jährige hat keinen Fehler gemacht. Nicht im Reisebus, nicht beim Besuch mittelständischer Betriebe und nicht einmal nachts um zwei in der Hotelbar. Überall wiederholte er unbeirrt, was er auch vor Kameras sagt: dass alle Gerüchte blanker Unfug seien. Dass derlei von der Opposition gestreut werde. Gerhard Schröder sei und bleibe der Spitzenkandidat, Franz Müntefering der richtige Mann für die Erneuerung der Partei. Warum diese Erneuerung überhaupt nötig sein sollte, wenn die Bundesregierung bisher alles richtig gemacht hat, erklärte er nicht.

Vielleicht glaubt Kurt Beck ja an das, was er sagt. Vielleicht auch nicht. Aber was sollte er – im einen wie im anderen Falle – derzeit sonst sagen? Die alten Bären Schröder und Müntefering mögen konfus wirken, aber für etwas dürfte ihre Macht allemal reichen: diejenigen abzustrafen, die schon jetzt ihr Fell verteilen. Wer noch etwas werden will, sollte jetzt den Mund halten.

Beck weiß das. Er ist ein sehr alter Fahrensmann. Seit 1979 im Landtag, seit 1994 Ministerpräsident. Zweimal in diesem Amt bestätigt, als Chef einer Koalitionsregierung mit der FDP. Wie viele Leute gibt es in der SPD noch außer ihm, die zwei Wahlen gewonnen haben? Die Zahl ist überschaubar.

Wovon träumt der Ministerpräsident? Von der Förderung des Mittelstands. Glamourös ist das nicht. Nur pragmatisch. Wenn einer wie Beck zum Hoffnungsträger der SPD wird, dann sagt das mehr über den Zustand der Partei aus als über ihn selbst. Zumal er selbst – glaubhaft – den Eindruck erweckt, dass er sich keinen erfreulicheren Job vorstellen kann als den des Landesvaters. Ob er den behalten darf, darüber entscheidet das Volk nächstes Jahr. Warum sich vorher in den Streit der Großen mischen? BETTINA GAUS