Karsais größter Rivale

„Karsai hat aus einer glänzenden Gelegenheit eine Katastrophe gemacht“, kritisierte Abdullah im Wahlkampf

Die Präsidentschaftswahlen in Afghanistan werden zum Duell zwischen Amtsinhaber Hamid Karsai und seinem früheren Außenminister Abdullah Abdullah. Zwar liegt dieser nach den ersten Teilergebnissen knapp hinter Karsai, doch könnte er in einer Stichwahl womöglich alle Gegner des Präsidenten hinter sich vereinen. Oder er ließe sich von Karsai doch noch einbinden, um eine das Land weiter destabilisierende Stichwahl zu verhindern.

Der 1960 geborene und zum Arzt ausgebildete Abdullah verdankt seine Popularität vor allem seiner Nähe zu dem 2001 von al-Qaida ermordeten Volkshelden Ahmed Schah Massud. Im Kampf gegen die Herrschaft der radikalislamischen Taliban galt er als rechte Hand Massuds. Auf der Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember 2001 wurde der Augenarzt als Vertreter der Delegation der Nordallianz in die neue Kabuler Regierung entsandt, der er bis 2006 als Außenminister angehörte. Seitdem macht Abdullah mobil gegen den Präsidenten. „Karsai hat aus einer glänzenden Gelegenheit eine Katastrophe gemacht“, kritisierte er im Wahlkampf. Die Sicherheitslage gerate außer Kontrolle, die politische Situation sei chaotisch, und die Probleme der Menschen würden nicht angemessen behandelt. Es gebe keinen Grund, Karsai fünf weitere Jahre Zeit zu geben.

Um die tiefe Kluft zwischen der Regierung und dem einfachen Volk zu überwinden, müssten die Afghanen politisch besser eingebunden werden, sagt Abdullah. Dies will der Vater von vier Kindern mit einer Dezentralisierung der Machtstrukturen erreichen. So verspricht er, den Posten eines Ministerpräsidenten zu schaffen und die Provinzregierungen zu stärken. Der Posten des Ministerpräsidenten könnte ihm bei einem möglichen Kompromiss mit Karsai auch selbst zufallen. Bisher lehnt Abdullah solche möglichen Kompromisse allerdings ab. Wenn es darauf ankommt, dürften ihn USA, UNO und Nato wohl zum Kompromiss bewegen können, noch offen wäre der Preis.

Mit einer Tadschikin als Mutter gilt Abdullah als Angehöriger der größten ethnischen Minderheit seines Landes. Sein Vater indes gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, weshalb sich der „Doktor“ mit der sanften Stimme auch bei der Bevölkerungsmehrheit große Stimmanteile verspricht. (afp, taz)