urdrüs wahre kolumne: Im Wahlschein überleben
Journalist und Kabarettist, hilft beinahe stets bereitwillig weiter und begründet das mit einem ihm innewohnenden Pfadfinder.
Da schickt die Bundeswehr ihre jungen Soldaten weltweit ins große Abenteuer, und die sind dann so blöd und lebensfremd wie der Zeitsoldat aus Rostock, der sich auf der Reeperbahn im „Palais d’amour“ mit gleich zwei Mädels bei Sekt, O-Saft und Kaffee (!) amüsierte und dann die Rechnung über gut 300 Euro nicht bezahlen wollte – vermutlich hatte man ihm bei der Truppenanwerbung erzählt, dass sowas beim Front-Tingeltangel für lau zu haben ist. Die Zechprellerei verhindert hat dann Tresenmann Oliver durch energisches Insistieren – und musste sich dafür wegen Erpressung (!) vor dem Amtsgericht verantworten. Der kluge Richter stellte das Verfahren ein – und dem Uniformträger macht hoffentlich das Leben klar, dass auch Soldaten sich an die Regeln halten müssen. Zumindest derzeit und im Inland.
In der Göttinger Johanniskirche kann an diesem Sonntag jeder seine vierbeinigen oder gefiederten Lieblinge mit in den Gottesdienst bringen, ob Elefant oder Maus, Ringelnatter, Kampfköter oder Wellensittich, denn „viele Menschen bauen zu ihren Tieren Beziehungen auf“, so wird es vorab verkündet. An uns Hundephobiker aber wird wieder nicht gedacht – und vermutlich bleibt auch der Wunsch nach einer Trauung mit unserem Lieblings-Grautier unerfüllt.
Wenn es aber dem sozialdemokratischen Esel zu wohl wird, dann vergisst er, etwa in Bremerhaven, jede Vernunft und ballert mit den Hein Mücks von der CDU die nicht vorhandenen Millionen raus für eine neue Eishalle. Wird aber nicht viel nützen, wenn der Amtsvormund dann demnächst die Zahlung des Stroms verweigert.
Beim Umsteigen in Richtung Hannover bittet mich am Bahnhof Hameln eine Rollator-Fahrerin um Hilfe, die selbstverständlich gewährt wird. Dabei erzählt mir die grauhaarige Dauerwellen-Trägerin um die 80, dass sie sich unbedingt noch die Briefwahlunterlagen besorgen wolle, „nicht, dass am Ende meine Stimme fehlt für die Rentnerpartei, falls ich vorher sterbe!“ Eine Bewegung mit einer solchen Basis – wie sollte die aufzuhalten sein, fragt sich neidvoll ULRICH „Redskin“ REINEKING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen