Mehr rechte Aufmärsche

Neonazis demonstrierten in der ersten Jahreshälfte bereits dreimal häufiger als im Vorjahreszeitraum. Linkenpolitikerin Petra Pau ruft zum Dagegenhalten auf

Im ersten Halbjahr 2023 sind bundesweit dreimal so viele Aufmärsche von Rechtsextremen gezählt worden wie im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der von der Neonazi-Szene veranstalteten Demonstrationen stieg von 35 auf 110, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Zuerst hatte die Neue Osnabrücker Zeitung über die Anfrage berichtet.

Viele Kundgebungen wurden der Regierungsantwort zufolge von der Kleinstpartei Freie Sachsen organisiert, die vom Landesamt für Verfassungsschutz als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde. Auch die Partei Der Dritte Weg, die laut sächsischem Verfassungsschutz eine „neonationalsozialistische Grundausrichtung“ hat, zählte zu den Veranstaltern. Letztere tritt auch in Berlin immer aggressiver auf. Die gemeldeten Vorfälle mit Bezug zum Dritten Weg stiegen dort von 77 im Jahr 2019 auf 524 im Jahr 2022 an.

Als Grund gilt demnach unter anderem die Debatte um steigende Flüchtlingszahlen. Auch das Ende der Coronapandemie, die zwei Jahre lang Großveranstaltungen verhindert hatte, beflügelt offenbar die Szene.

Dagegen ging laut dem Bericht die Zahl der Rechtsrock-Konzerte etwas zurück und sank im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 89 auf 71. Laut den Zahlen des Bundesinnenministeriums fanden im Zeitraum von April bis Juni 35 solcher Konzerte statt.

Die Linken-Abgeordnete Petra Pau zeigte sich besorgt. „Die Mobilisierungskraft der extremen Rechten steigt nun ein Jahr nach der Pandemie wieder enorm an“, sagte sie. Die meisten Aufmärsche seien sogenannte „Nein zum Heim“-Demonstrationen gegen Flüchtlingsunterkünfte gewesen. „Es ist unser aller Pflicht zu verhindern, dass sich die extrem feindliche Stimmung gegen Geflüchtete auf ­einem ähnlichen Niveau wie Anfang der 1990er Jahre und 2015 einpendelt“, betonte Pau. Die meisten rechtsextremen Aufmärsche gab es 2015 (590). Danach war der Trend rück­läufig. (epd, afp, taz)