Urdrüs wahre Kolumne
: Die Wirkung des Komischen

Gemeinhin neige ich nicht dazu, die Freimaurerei als Wurzel allen Übels auszumachen, doch die Tatsache, dass die Hauptversammlung der Holsten Brauerei-Aktionäre demnächst im Hamburger Haus der Provinzialloge von Niedersachsen stattfindet, gibt mir in Bezug auf die Verseuchung dieser Welt durch Fernsehbiere einiges zu denken!

Irgendwie ist der Lebensmittelhändler Herbert B. im Steffensweg dieser Tage spät dran mit der Eröffnung seines 40-Quadratmeter-Supermarkts und die wartende Kundschaft macht sich ihre Gedanken: „Vielleicht ist der Wecker kaputt“, mutmaßt der eine. „Oder er ist krank …“, gibt ein Zweiter zu bedenken. Und die Dritte schließlich fordert Verständnis ein: „Wenn ihr Suffköppe ausnahmsweise mal früher dran seid, dann stellt ihr euch solche Fragen. Aber sieht doch keiner von euch Flachwichsern, wenn der schon um Sieben in der Frühe loslegt. Lasst den doch auch mal eine kleine Freundin haben!

Einst legte Heinz Erhard sich in Papas Kino als Willi Winzig mit den Mächtigen dieser Welt an und in Bremen wagt sich jetzt der Liberalinski Willy Wedler mit Fragen an das Wirtschaftsressort nach den Leichen im Space Park-Keller hervor. Sollte der kecke Abgeordnete vor der Beantwortung am kommenden Mittwoch irgendwie verschwunden sein, empfehle ich den Blick unter frisch ausgegossene Betondecken des mafiosen Gesamtkomplexes der bremischen Wirtschaftsförderung: die kennen da nix!

Natürlich ist es jede Menge Beifall wert, dass Studierende der Uni Bremen jetzt bei der „Praxisbörse“ das Mordsgesindel des Rüstungskonzerns Rheinmetall in die Flucht jagten. Besondere Anerkennung aber zolle ich der Tatsache, dass dies nicht mit Flakgeschütz oder gezielten Tritten in rheinmetallische Innereien geschah, sondern mit der Kraft skandierter Lyrik: „Deutsche Waffen, deutsches Geld / schaffen Arbeit in der Welt!“ So wie wir Alten schon mal sungen: „Notstandsplaner üben fleißig / für ein neues Dreiunddreißig“ oder: „Bürger runter vom Balkong / für den Sieg des Vietkong!“ Meinen Segen für den Bremer Literaturpreis jedenfalls habt Ihr …

Vorgestern eröffnete der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans- Heinrich Ehlen auf einem Hof unweit von Bassum die Erdbeersaison 2005. Eine Nachricht, die mich beim Genuss eines Stücks Erdbeerkuchen mit Sahne erreichte und mir einmal mehr vor Augen führte, wie die Politik dem Vorwärtsschreiten der Volksmassen hinterherstolpert.

Angesichts der bevorstehenden Wahlkämpfe kommt der Workshop wohl zur rechten Zeit, den das Institut für Mittelalter- und Frühzeitforschung der Uni Bremen an diesem Wochenende anbietet. Unter dem Titel „Glaubensstreit und Gelächter – die Wirkung des Komischen in gesellschaftlichen Umbrüchen“ wird da anscheinend genau die Aufarbeitung geleistet, die eigentlich von der Linken in dieser Situation zu leisten wäre – meint jedenfalls

Ulrich „Redsox“ Reineking