Ein Mann hat sich durchgeboxt

Der ehemalige Kriminalhauptkommissar Achim Lazai, Begründer des Präventionsprojektes „Kick“, ist gestorben. Auch noch im Ruhestand hat er sich für Jugendliche ohne Perspektive eingesetzt

Seine Kindheit in Berlin war nicht besonders rosig. Er hätte leicht auf die schiefe Bahn geraten können. Es war das Boxen in einem Sportverein, das ihn vor einer möglichen kriminellen Karriere rettete und ihm eine Alternative gegen Frust, Langeweile und Perspektivlosigkeit bot. Was bei ihm in den 50er-Jahren funktioniert hat, sollte Jahrzehnte später, als aus dem erfolgreichen Boxer ein Kriminalhauptkommissar bei der Berliner Polizei geworden war, auch bei anderen Jugendlichen funktionieren.

Achim Lazai gründete Anfang der 90er-Jahre das Präventionsprojekt „Kick“, bei dem Polizei und Jugendsozialarbeiter in einzigartiger Weise zusammenarbeiten. Drohte die Idee anfangs am starren Polizeiapparat zu scheitern, ist daraus längst ein Vorzeigeprojekt in Berlin und anderen Bundesländern geworden, mit dem sich Staatssekretäre, Minister und Polizeipräsidenten schmücken.

Der durchtrainierte drahtige Mann wurde von Innensenatoren beglückwünscht, Chefredakteure schickten ihm anerkennende Worte, Sabine Christiansen dankte ihm für sein Engagement ebenso wie die Konrad-Adenauer-Stiftung oder Innenminister Otto Schily (SPD). Auch das Bundesverdienstkreuz wurde ihm verliehen. Doch Orden und Empfänge waren seine Sache nicht. Der gefragte Experte für Jugendkriminalität und Prävention wollte statt Schulterklopfen und warmen Worten klare Ansagen und konkrete Unterstützung für die Finanzierung von „Kick“ und die Ausweitung des Projektes, auch gegen Rechtsextremismus. Blieb es nur bei warmen Worten, regte er sich über „das Marionettentheater“ auf – und machte weiter.

Ende der 90er-Jahre ist Lazai nach 42 Jahren Polizeidienst in den Ruhestand gegangen. Doch er hat sich weiter um „Kick“ gekümmert, das neben Fußball, Streetball oder Kochkursen auch Beratung für Jugendliche in Lebens- oder Ausbildungsfragen anbietet. Lazai hat zudem Patenschaften zwischen Schülern und Spitzensportlern organisiert, um Jugendliche über ihre Idole von Hertha BSC, Alba Berlin oder den Eisbären Werte wie Fairness zu vermitteln.

„Man kann doch nicht einfach wegsehen.“ Mit diesem Satz hat Lazai sein Engagement erklärt. Er sprach oft von „der Sache“ oder davon, „ein Zeichen zu setzen“. Was bei anderen als Sprechblase daherkommt, hatte bei ihm Hand und Fuß. Sein erstes Zeichen setzte er, als er 24 Jahre alt war und an der Berliner Mauer patrouillierte. Die geteilte Stadt war ein unerträglicher Zustand für ihn, gegen den er etwas unternehmen musste. Mit zwei anderen Westberliner Polizisten sprengte er ein großes Loch in die Mauer.

Erst 30 Jahre später wurde publik, wer hinter dem Anschlag steckte, der von höchster politischer Ebene abgesegnet war und dessen Hintergründe nie restlos aufgeklärt wurden. Größte Geheimhaltung wurde damals angeordnet und Achim Lazai für einige Jahre nach Osnabrück versetzt. Diese Auseinandersetzung mit dem Kalten Krieg hat ihn bis zu seinem Tod beschäftigt. Am Mittwochabend ist er im Alter von 67 Jahren gestorben.

BARBARA BOLLWAHN