Chirac und Schröder einig im „Weiter so“

Der angeschlagene französische Präsident und der deutsche Nochkanzler fordern kurz vor dem nächsten EU-Gipfel eine Fortsetzung des Ratifizierungsverfahrens der EU-Verfassung und von Großbritannien einen höheren Beitrag zum EU-Haushalt

Chirac spricht von „Schwierigkeiten“, Schröder warnt vor „Populisten“

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„Weitermachen“ sagen die beiden europäischen Spitzenpolitiker, denen innen- wie europapolitisch scharfer Gegenwind ins Gesicht pfeift. Bei ihrem zweiten Treffen binnen einer Woche, dem voraussichtlich letzten vor dem nächsten EU-Gipfel, bei dem sie ebenfalls fest zusammenhalten wollen, sprachen sich Jacques Chirac und Gerhard Schröder gestern in Paris gegenseitig Mut zu. Am Ende ihres Treffens kündigten sie an, dass sie gemeinsam überall da weiter machen wollen, wo sie angefangen haben.

Nach ihrem Willen muss das Ratifizierungsverfahren der EU-Verfassung trotz der klaren Neinvoten in Frankreich und den Niederlanden und dem Rückzieher der Briten in allen Ländern zu Ende geführt werden. Auch müsse die gemeinsame Agrarpolitik wie gehabt weitergehen und für den EU-Haushalt ein Kompromiss gefunden werden. Unter Letzterem verstehen beide, dass Großbritannien zumindest auf einen Teil seines Rabatts, der im letzten Jahr 5,3 Milliarden Euro betrug, verzichten soll.

Als „Mann von Charakter und mit Visionen“ lobte Chirac auf dem Treppenabsatz des Elyssée-Palastesnach mehreren herzlichen Umarmungen seinen Gast aus Deutschland. „Wir sind beide bereit zum konstruktiven Kompromiss“, erklärte Schröder.

Eine knappe Woche vor dem nächsten EU-Gipfel – dem letzten vor der Ratspräsidentschaft von Tony Blair – wollten sie ihr bereits am vergangenen Samstag in Berlin besprochenes Gipfelvorgehen weiter abstimmen. Ihre Wahrnehmung der Lage in der EU ist ähnlich. Beide sprechen von „Schwierigkeiten“. Chirac sagt, die ließen sich „überwinden“, Schröder spricht davon, dass man den „Populisten“ nicht nachgeben dürfe.

Im Vorfeld des EU-Gipfels am 16. und 17. Juni hat Chirac die Stimmung zwischen Paris und London verschlechtert, indem er eine finanzielle „Geste“ verlangte. Die Briten sollen den „Rabatt“, den sie seit 1984 bekommen, als ihr Land in einer tiefen wirtschaftlichen Krise steckte, verringern. Blair konterte umgehend. Er erklärte, sein Land trage trotz Rabatt „zweieinhalbmal“ so viel zum EU-Budget bei wie Frankreich und er denke gar nicht an einen höheren Beitrag.

Auf dem Kontinent steht Blair mit dieser Position ziemlich allein. Nach dem Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker wünschte gestern auch Schröder mehr „Kompromissbereitschaft“ bei den Beitragszahlungen. Gleichzeitig lobte er – auch das eine klare Absage an Blair – die Kompromissbereitschaft seines Gastgebers Chirac in der Agrarpolitik.

Die von Premierminister Dominique de Villepin erwähnte deutsch-französische „Union“, die in Deutschland auf Protest stieß, nannte Chirac gestern etwas, das „bereits existiert“. Er erwähnte unter anderem gemeinsame Initiativen im Hochtechnologiebereich. Schröder ergänzte ihn mit dem Hinweis auf Gemeinschaftsbotschaften der beiden Länder. Die Gegner der EU-Verfassung in Frankreich bereiten bereits Demonstrationen anlässlich des EU-Gipfels vor. Ihnen geht Chiracs „Nachdenken“, zu dem er schriftlich die 24 anderen EU-Hauptstädte aufforderte, nicht weit genug. Einige kritisieren auch die Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses, als wäre nichts gewesen.