Schlechte Kasse für gute Sache

FÖRDERGELDER Die „Interkulturelle Werkstatt Tenever“ (IWT) steht unter dem Verdacht, unter dem Schutze ihres guten Leumundes nicht korrekt gewirtschaftet zu haben

„Ich war vielleicht naiv, ich hatte Vertrauen“, sagt IWT-Chef Hafid Catruat

VON KLAUS WOLSCHNER

Vor einigen Tagen ist eine große Prüfung angelaufen: Sozialressort, Bagis, Bremer Arbeit GmbH und andere wollen genau wissen, wo das Geld geblieben ist, das sie für Beschäftigungsprojekte der „Interkulturellen Werkstatt Tenever“ (IWT) gegeben haben. Auch die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Offenbar herrscht in dem Verein eine schlampige bis chaotische Buchführung, der Verdacht: Veruntreuung staatlicher Fördermittel.

Dabei ist die IWT im Stadtteil eine anerkannte Institution. Mehr als 40 ehemalige Hartz VI-Empfänger werden da im Rahmen des Programms „Bremen produktiv“ beschäftigt – sie arbeiten im „Café Abseits“ mit Drogenabhängigen, bieten im „Frauenmosaik“ einen Multi-Kulti-Treffpunkt an und helfen als „Crew“ überall da, wo Menschen im Stadtteil nicht allein zurechtkommen. Mit Bagis- und EU-Mitteln wird das finanziert, immer wieder sind auch „WIN“-Mittel – Wohnen in Nachbarschaften – an den Verein geflossen. Aus dem kleinen Selbsthilfe-Verein von Migranten ist innerhalb von zwei Jahren ein richtiges Unternehmen geworden mit 1,3 Millionen Umsatz im Jahr. „Mein Freund Hafid“, sagt Joachim Barloschky, der gute Geist von Tenever – damit jeder weiß, dass er zu dem IWT-Geschäftsführer Hafid Catruat steht. „So einen findest du hier nicht zweimal“, erklärt er.

Am 3. August hat Catruat seinen Verwaltungsleiter Andreas B. rausgeschmissen, fristlos. Der hatte die Finanzverwaltung bei der IWT erledigt, den ganzen Formalkram – bis hin zu der privaten Steuererklärung von Catruat. In dem Kündigungsschreiben steht, hinter dem Rücken des Geschäftsführers habe der Verwaltungsleiter seine Frau als „Angestellte“ des Vereins geführt und bezahlt – seit April 2008 mit 560 Euro, schließlich mit 1.650 Euro. B. bestreitet nicht den Deal, sagt aber, das sei mit Catruat verabredet gewesen: Die beiden hätten vereinbart, dass jeder 4.000 Euro im Monat verdienen soll. Da das legal nicht möglich war, hätte er seine Frau mit einem fingierten Gehalt versorgt. Und Catruat? B. will darüber nicht offen reden, er hofft noch auf eine Verständigung mit Catruat. Auch Catruat wird einsilbig bei der Frage, was denn zwischen ihm und dem Verwaltungsleiter, dem er in den vergangenen 16 Monaten so sehr vertraut hat, vorgefallen ist. Was ist mit dem Auto? Klar, ein Fiat Panda, sagt er. Die IWT zahlt die Raten, der Leasing-Vertrag geht aber auf ihn persönlich. Ob der geldwerte Vorteil bei der Steuer deklariert wurde, weiß Catruat nicht – die Steuer machte Andreas B. Verwunderlich, warum der Verein die Auszahlungen an dessen Frau – immerhin zusammen 15.000 Euro – jetzt nicht zurückfordert. Der Verein hat keine Strafanzeige erstattet.

Jede Menge anderer Merkwürdigkeiten gibt es in den Büchern der IWT. Aus der Vereinskasse wurden Lebensversicherungen bezahlt – eine für Catruat, eine für den Verwaltungsleiter. Die Bagis prüft eine Rechnung, in der für die zu 100 Prozent von der Bagis geförderten Beschäftigten des IWT Stundenlohn wegen eines Umzuges berechnet wird. Adressat der Rechnung: die Bagis. Da steht ein „Arbeitgeberdarlehen“ in den Büchern – ohne Hinweis auf Rückzahlung. Gleichzeitig gibt es Spenden von Catruat an seinen eigenen Verein, 2008 machten sie über ein Viertel seines offiziellen Lohnes aus – bar in die Kasse. Kein Kontoauszug belegt den Geldfluss.

„Warum nicht?“, sagt Catruat auf die Frage, ob das nicht ein wenig merkwürdig sei. Er liebe eben seinen Verein, das sei sein Leben. Auf die Frage, warum er über anderthalb Jahre nicht bemerkt haben will, dass da die Frau seines Verwaltungsleiters auf der Lohnliste steht, zuckt er mit den Achseln. Er sei eben „naiv“ gewesen, habe „Vertrauen“ gehabt.

Die Sozialbehörde will die gesamte Prüfung an sich ziehen, damit auch geklärt werden kann, ob ein Projekt bei zwei Geldgebern doppelt abgerechnet wurde. Und sie will dem Verdacht nachgehen, dass einzelne der beantragten und geförderten Projekte nur auf dem Papier stattfanden. Die IWT sei Träger von „wichtigen Projekten im Stadtteil“, sagt die Sprecherin der Behöde, falls sich die Vorwürfe gegen einzelne Personen aus der Spitze des Vereins bestätigen würden, wolle man versuchen, „die Projekte zu retten“.