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meinungsstark

Gewöhnung an die Katastrophe

„Lampedusa: Notstand als neue Normalität“, taz vom 8. 8. 23

Die Einen leisten sich mindestens einmal im Jahr einen Urlaub. Es muss ein exotisches Land sein, Luxusurlaub, abgeschirmt von den Einheimischen. Es muss sauber sein und deutsches Essen geben. Die Anderen verkaufen alles, was sie besitzen, um vor Krieg, Terror, Folter und Tod zu fliehen. Buchen einen Stehplatz auf einem Schlauchboot. Das Abenteuer ins Ungewisse kann beginnen. Ab und zu geht eine über Bord und ist raus aus dem Spiel.

In den exotischen Urlaubsländern ist es jetzt so heiß, dass es zu Waldbränden in unvorstellbarem Ausmaß gekommen ist. Sie greifen auch auf die geschützten Ressorts über und bedrohen die Urlauberinnen.

Die Einen werden spontan von Einheimischen in Sicherheit gebracht, unbürokratisch. Man kümmert sich rührend um sie. Unzählige Helferinnen sorgen für ihr leibliches Wohl. Die Reisegesellschaften arbeiten rund um die Uhr, um ihre Kunden schnell auszufliegen. Auch die Länderbotschaften bemühen sich um ihre Landsleute.

Aber die Urlauberinnen motzen und beschweren sich ständig. Sie haben doch ihren Urlaub teuer bezahlt. Man wird alle auf Schadensersatz verklagen.

Die Anderen möchten in ein gutes Land reisen, wo sie arbeiten und mit ihren Familien ein friedliches Leben führen können. Sie werden wieder in überfüllte Boote gesetzt, bei denen die Motoren zerstört und die Paddel entfernt werden. Damit schickt man sie in den sicheren Tod. Und wenn sie nicht von selbst untergehen, müssen die Küstenwachen eben nachhelfen. Das Spiel heißt „Sea of no return“.

Die Einen freuen sich schon auf ihren nächsten Urlaub in irgendeinem aufregenden Land. Die Anderen schlummern auf dem Grund der Meere.

In Europa werden ein paar Krokodilstränen verdrückt und Milliarden gezahlt, damit die Grenzländer die Flüchtlinge nicht mehr durchlassen. Ellen Al Saadawe, Riegelsberg

Hochrisiko: Brennende Autofrachter

„Frachter kommt in Eemshaven an. Ausgebranntes Schiff erreicht Hafen an der Grenze zu Deutschland“,

taz vom 4. 8. 23

Bereits 2019 fing das Autotransportschiff „Grande America“ ebenfalls Feuer und sank mit mehr als 2.000 Luxusautos der VW-Töchter Audi, Porsche und anderer Konzerne in der Biskaya, 330 Kilometer vor der französischen Küste. Dasselbe Szenario wiederholte sich erst vor einem Jahr, als der mit der „Fremantle Highway“ fast baugleiche Autotransporter „Felicity Acee“ in Brand geriet und am 1. März 2022 mit etwa viertausend fabrikneuen Volkswagen mitsamt der Ladung in den Tiefen des Atlantiks südlich der Azoren versank. Ein gutes Jahr später nun fast dasselbe Szenario. Was waren diesmal für Neuwagen an Bord? Die NZZ berichtete, dass auch Mercedes und BMWs zur Ladung gehörten. Welche Marken noch? Gibt es Parallelen zum Unglück von vor einem Jahr? Diskutiert wird lediglich über den Verlauf von Routen. Wäre das Schiff auf dem Weg nach Port Said erst im Mittelmeer statt in der Nordsee in Brand geraten, wären nicht so schnell Feuerlösch- und Schleppschiffe zur Stelle gewesen. Die Schiffsbesatzungen auf solchen Hochrisikotransportern weiterhin zu gefährden und das Meer als Sondermüllkippe zu betrachten, halte ich menschlich in jedem Falle für unzulässig.

Wolfgang Dittrich-Windhüfel, Freiburg im Breisgau

Das ganz gemeine Sterberisiko …

„Zwei Sorten Tod. Eine Liberalisierung der Sterbehilfe ist kein Akt der Humanität, sondern eine Gefahr. Denn unserer Gesellschaft ist nicht das Überleben aller ihrer Mitglieder wichtig“, taz vom 8. 8. 23

Dass es zwei Sorten Tod gibt, ist die logische Konsequenz einer Gesellschaft, in der es ja auch zwei Sorten Leben gibt. Wenn am liebsten nur die Flüchtlinge ins Land gelassen werden, die wir verwerten können für unsere binneneuropäische Wohlfühlzone, warum sollte es dann, wenn es ans Sterben geht, Gleichberechtigung für alle geben? Hildegard Meier, Köln

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