Koks im Kinderkanal

In der Doku-Soap „Rap Akademie – Junge Dichter und Denker“ werden neue Stars gecastet

„Digger, ich vertick’ dir Kokain …“ Ausgerechnet mit so einem Text beim Casting anzutreten, war kein besonders geschickter Schachzug der beiden vierzehnjährigen Jungs. Denn gesucht wurden im Frühjahr dieses Jahres in der Gesamtschule Essen-Holsterhausen nicht Germany’s next Top-Gangsters, sondern musikalische Talente für die Doku-Soap „Rap Akademie – Junge Dichter und Denker“, die ab heute beim öffentlich-rechtlichen Kindersender Ki.Ka läuft. Und da geht’s natürlich schwer seriös zu: Vier Mädchen und drei Jungs zwischen 12 und 16 haben die Aufgabe, Lyrik von Goethe und Schiller mit selbst geschriebenen Texten zu kombinieren und die Ergebnisse mit eigenen Kompositionen musikalisch zu unterlegen – die krassen Kokain-Jungs hatten keine Chance!

Anders als der Titel der Reihe vermuten lässt, dokumentiert „Rap Akademie“ nicht, wie sich Pennäler in schillernde Rap-Stars mit Anspruch verwandeln, vielmehr wird eine Band aufgebaut, die Rap-Einlagen als ein Element unter vielen verwendet. Als Band-Coach verpflichtete der produzierende WDR trotzdem einen der populärsten HipHopper des Landes: Curse. Der 30-jährige Mindener, der mit bürgerlichem Namen Michael Sebastian Kurth heißt, gehört zu den intelligenteren Vertretern des Genres, mit dem Song „Bis zum Schluss“ landete er 2008 einen Top-10-Hit in Deutschland. „Es geht uns nicht darum, irgendjemanden vorzuführen. Wir wollen den Kids eine positive Erfahrung ermöglichen“, erklärt Curse seinen Ansatz. Deshalb nimmt das sonst so wichtige und erniedrigende Casting hier nur knapp zehn Minuten der ersten Folge in Anspruch. „Unser Fokus liegt auf dem, was hinter den Kulissen passiert, wenn die Band bereits existiert“, sagt Curse. „Die Aufnahmen im Studio, die Vorbereitungen der Auftritte. Wir wollen zeigen, dass es nicht reicht, irgendeinen Scheiß aufzuschreiben, sondern dass Texter sich fragen sollten: Was ist Sprache überhaupt? Wie kann ich Dinge, die mich bewegen, ausdrücken?“

Die „Rap Akademie“-Reihe basiert auf einem Projekt aus Hamburg: Unter dem Namen „Junge Dichter und Denker“ bringt es seit 2005 in wechselnder Besetzung klassische Lyrik mit modernen Sounds zusammen und vertont auch englische Vokabeln und das kleine Einmaleins. Eine Idee, die kommerziell erfolgreich ist: 2008 bekam die Gruppe eine goldene CD.

Ein ähnlicher Erfolg könnte auch der Ki.Ka-Band gelingen, immerhin stellt sie ihre erste Single am 12. September in Jörg Pilawas Show „Frag doch mal die Maus“ im Ersten einem Millionenpublikum vor. „Die werden da bestimmt einen geilen Auftritt hinlegen“, sagt Curse. „Aber von meiner Seite ist es nicht das vorrangige Ziel, dass diese Band jahrelang die Charts stürmt. Viel wichtiger wäre mir, dass einige Zuschauer motiviert werden, sich selber ans Texten und Komponieren zu wagen.“ Ob das gelingt, hängt auch von seinem Auftreten ab. Der Mann des geschliffenen und offenen Worts schwört, dass er sich trotz des jungen Publikums nicht verbiegen wird: „Natürlich kann ich im Ki.Ka bestimmte Sachen nicht sagen, aber ich renne auch nicht die ganze Zeit megapolitisch-korrekt durch die Gegend. Es wird keinen Supersaubermann-Grundschullehrer-Curse geben – und garantiert auch keine Ki.Ka-Versionen meiner Alben.“ SVEN SAKOWITZ

ab heute täglich 19.25 Uhr, KiKa