Atommüll bis mindestens 2018

Anti-Atom-Initiativen warnen vor hunderten Castor-Transporten nach Ahaus. Ministerien und das Bundesamt für Strahlenschutz geben sich ahnungslos

„Es kann natürlich sein, dass weitere Castor-Transporte nach Ahaus kommen“„Die Transporte sind unsinnig. Ahaus ist genauso unsicher wie jedes Zwischenlager“

VON ANDREAS WYPUTTA

Dem münsterländischen Städtchen Ahaus droht heute Abend einmal mehr der Ausnahmezustand. Begleitet von massiver Polizeipräsenz werden zum dritten Mal Castor-LKW aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden ins „Brennelemente-Zwischenlager Ahaus“ rollen. Der Inhalt: Kernwaffenfähiges Uran 235 und hochgiftiges Plutonium. Die Anti-Atom-Bewegung ruft zu Protesten auf: Um 19 Uhr steigt heute Abend ein Open-Air-Konzert vor dem Ahauser Bahnhof, nach der Auftaktkundgebung zieht ein Demonstrationszug vom Bahnhof durch die Ahauser Innenstadt zum Zwischenlager. Ab 22 Uhr wollen die Atomkraftgegner vor dem Atommülllager gegen die Transporte protestieren – bis die Castoren im Morgengrauen Ahaus erreichen. „Die Transporte sind unsinnig“, sagt Felix Ruwe, Sprecher der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus. „Die Lagerhalle hier ist genauso sicher oder unsicher wie die Halle in Rossendorf.“

Dennoch könnten die 18 sächsischen Castoren erst der Auftakt zu einer ganzen Kette von Atommülllieferungen sein. Bis 2018 drohten hunderte von Castor-Transporten, warnen Atomkraftgegner wie der Münsteraner Matthias Eickhoff, Sprecher der Initiative Widerstand gegen Atomanlagen. Zunächst dürfte der Atommüll aus den westdeutschen Forschungsreaktoren Garching bei München und Karlsruhe anrollen – während im Atomkonsens zwischen rot-grüner Bundesregierung und der Atomindustrie dezentrale Zwischenlager für Atomkraftwerke vorsieht, wird der strahlende Schrott der Forschungsreaktoren in Ahaus entsorgt. „Die Technische Universität München als Betreiber des Forschungsreaktors Garching II hat als Entsorgungsnachweis schon Plätze in Ahaus angemietet“, sagt Eickhoff – und rechnet mit mindestens 72 Castoren nur aus München und Karlsruhe.

Doch auch der radioaktiv verseuchte Müll der norddeutschen Atomkraftwerke wie Grohnde oder Stade könnte in Ahaus landen: Zwar sollen die Brennstäbe in Gorleben im Wendland eingelagert werden. Doch alles, was bei der Wiederaufbereitung abgetrennt wird, soll im Münsterland auf eine Klärung der noch immer offenen Endlagerfrage warten. „Das können auch hoch verstrahlte Anlagenteile sein“, warnt Eickhoff.

Bundes- und Landesbehörden dagegen geben sich unwissend. „Es kann natürlich sein, dass weitere Castor-Transporte nach Ahaus kommen, klar“, so Florian Emrich, Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) als zuständiger Genehmigungsbehörde auf taz-Anfrage am Freitag. Genaue Informationen habe er aber nicht, sagt Emrich – und verspricht Klärung bis zum heutigen Montag. Ein Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wird deutlicher, erklärt die offizielle BfS-Linie: „Noch sind ja keine Transporte beantragt. Und über nicht beantragte Transporte können wir nichts sagen.“ Weitere dezentrale Zwischenlager an den Standorten der Atomkraftwerke seien im Bau, die zentralen Zwischenlager Ahaus und Gorleben verlören „deshalb an Bedeutung“. Alles unter Kontrolle lautet die Botschaft, keine Aufregung, bitte.

Grotesk argumentieren auch die nordrhein-westfälischen Landesministerien. Das Umweltministerium erklärt sich für „nicht zuständig“, verweist auf das Verkehrs- und Energieministerium. Doch der schwarze Peter wird sofort an das Innenministerium weitergereicht. „Wir sind doch nur das Ende einer langen Kette, müssen die Transporte nur polizeilich absichern“, sagt eine Sprecherin dort. Näheres wisse bestimmt das Düsseldorfer Energieministerium – oder ausgerechnet das Bundesamt für Strahlenschutz.

Ahaus könnte schleichend zum Endlager werden, fürchten deshalb die Anti-Atom-Initiativen. „In Deutschland ist die Endlagersuche nach mehr als 35 Jahren ohne jede Lösung. Woher sollen wir da den Optimismus nehmen, dass Politik und Wissenschaft in den nächsten 30 Jahren eine wirklich sichere Lösung finden“, fragt Atomkraftgegner Ruwe. Weltweit gebe es kein sicheres Endlager – Versicherungen des Präsidenten des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, sind deshalb nicht nur für Ruwe eine „reine Farce“. Nötig seien massive Proteste auf der Straße: In Dresden, an der Transportstrecke der Autobahn 2 bei Kamen und in Bad Oeynhausen sind Mahnwachen geplant, weitere Proteste sind in Jena, Kassel und Soest angekündigt.

Die Betreiber des Zwischenlagers dagegen wischen Proteste wie Sicherheitsbedenken lässig beiseite. „Keinerlei Probleme“ gebe es bei der Einlagerung der Castoren, versichert BZA-Sprecher Michael Ziegler – dabei warnen die Anti-Atom-Initiativen seit Wochen, die Dichtungen der Behälter könnten durch zu fest angezogene Schrauben beschädigt und damit sogar undicht geworden sein. „Unsinn“, kontert Ziegler: „Solche Gerüchte gehören leider schon seit Jahren zum Handwerkszeug dieser Bürgerinitiative.“

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