Papierstau bei der SPD

„Schreiben Sie‘s auf, ich beschäftigte mich später damit“

Als NRW-Jusochef Alexander Bercht am Samstag in Leipzig seine Rede hielt, saß SPD-Boss Franz Müntefering still in der ersten Reihe und hörte zu. Der 26-Jährige aus Münster berichtete bei der Jahreshauptversammlung des SPD-Nachwuchses von „Erfahrungen aus dem NRW-Wahlkampf“. Man habe bei der Kampagne im größten Bundesland erleben müssen, dass es nicht ausreiche, einen Richtungs- und Lagerwahlkampf lediglich auszurufen. Es müsse auch ein inhaltlicher Unterschied zu CDU/FDP klar gemacht werden, so Bercht. Mit einer Strategie „Wir wollen Hartz Light und die anderen Hartz Plus“ sei auch der Bundestagswahlkampf nicht zu gewinnen.

Eine Kurskorrektur hatten Bercht und 30 andere NRW-Linke bereits vergangene Woche in einem fünfseitigen Papier verlangt (taz nrw berichtete). Unter der Überschrift „Aufbruch für die NRW SPD“ forderte der linke Flügel „eine Agenda der sozialen Balance“ und belobigt Münteferings Kapitalismuskritik, die tagespolitisch weitergedacht werden müsse. So sprechen sich die Linken für „eine verstärkte gesellschaftliche Regulierung von marktwirtschaftlichen Prozessen“ aus.

Während das Linken-Papier eher mittelfristig argumentiert, konzentriert sich der ebenfalls von NRW-Sozialdemokraten unterschriebene Aufruf „Wir kämpfen!“ auf die Zeit bis zur wahrscheinlichen Bundestagswahl im Herbst. Der kurzatmige Kampftext der Zentristen richtet sich stakkatohaft an alle GenossInnen, die noch Lust auf Wahlkampf haben. Appellativ heißt es da: „Kämpfen für ein modernes, wirtschaftlich erfolgreiches und gerade deshalb sozial gerechtes Deutschland.“ Aus NRW haben dies Parteivize Karsten Rudolph (Bochum), Europapolitiker Martin Schulz (Würselen) und Wirtschaftsexperte Rainer Wend (Bielefeld) unterschrieben.

Braucht die SPD also eine neue Politik oder ein „Weiter so“? Gilt die Erkenntnis der späten 1990er Jahre nicht mehr, dass die SPD nicht mit links, sondern nur als progressive Mitte Wählermehrheiten gewinnen kann? Die Papierproduktion und Resolutionsschwemme hat zwar gerade erst begonnen, angesichts des nahenden Wahlkampfs dürften die Papers jedoch bis September in der Ablage landen. Getreu dem alten Didi-Hallervorden-Spruch: „Schreiben Sie‘s auf! Ich beschäftige mich später damit!“

MARTIN TEIGELER