Heller liefert keine Begründungen

betr.: „Wollt ihr überhaupt Kultur?“, taz bremen vom 03.06.2005

(…) Braucht Bremen einen im Haushalt möglichst langfristig abgesicherten Etat für die Förderung von (innovativen) Kulturprojekten, über dessen Vergabe Sachverständige nach inhaltlichen Kriterien mindestens beraten, vielleicht sogar entscheiden? Gewiss ja. (…)

Wer immer diese Aufgabe wahrnimmt, wird dafür Rahmenbedingungen brauchen, die noch zu schaffen sind: Dazu gehören Entscheidungen über umfassende kulturpolitische Ziele; Entscheidungen über den Stellenwert dieser Ziele in den unterschiedlichen kulturpolitischen Förderfeldern; die Operationalisierung dieser Ziele in Förderrichtlinien und Förderkriterien; die Entwicklung und Anwendung von Indikatoren, um Fördererfolge zu evaluieren; die Besetzung von Gremien mit kompetenten Mitgliedern etc.

Alle hier notwendigen Entscheidungen sind wegen ihrer Tragweite politisch zu verantworten. Dabei sollten Künstler und Vertreter von Kultureinrichtungen, Experten, Bürger und Politiker bei der dafür notwendigen Willensbildung zusammenarbeiten, um bestmögliche, umsetzbare und nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Danach dürfte es nicht mehr möglich sein, Projektanträge einfach als „stinklangweilig“ oder „charmant“ zu kennzeichnen, wie Martin Heller es tat. Die von ihm zu Recht geforderten „neuen Begründungen von Kulturpolitik“ kann ich dabei nicht erkennen.

(…) Wird eine neue Organisationseinheit außerhalb der institutionell fördernden Behörde mit der Aufgabe innovativer Projektförderung betraut, sind mit einiger Wahrscheinlichkeit Kompetenz, Ressourcen- und Koordinationsprobleme zwischen den beiden Organisationen (und den hinter ihnen stehenden Ressorts) zu erwarten. Diese kosten Zeit, Geld und Motivation und gefährden letztlich die Legitimation von Entscheidungen, ihre Qualität und Umsetzung.

Bremen hat hinreichend schlechte Erfahrungen mit der Verlagerung von Aufgabenwahrnehmungen (…). Vorsorge und Abhilfe könnte die institutionalisierte Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner schaffen, die auftretende Konflikte kooperativ lösen und ihre Erfahrungen als innovative Projektförderer einerseits und institutionelle Bestandspfleger andererseits austauschen. Die bestehende „Task-Force“ scheint mir dazu nur beschränkt geeignet, nachdem der Bewerbungsintendant Behördenmitarbeiter nach seinem Gusto in das Gremium „berief“, anstatt die Behörde über ihre Vertreter autonom und sachlich begründet entscheiden zu lassen.

Versucht Bremen dagegen, die Innovation in den bestehenden Strukturen der Kulturbehörde und der Kulturpolitik wahrnehmen zu lassen, ist das Risiko der Blockade groß. Die über Jahre nicht vollzogene Reorganisation der Kulturbehörde mag als Warnung dienen. (…)

Behörden sind kein „Apparat“ (wie Martin Heller und mit ihm große Teile der politischen Elite Bremens meinen), dessen man sich technisch oder strategisch bedienen kann. In diesen Organisationen arbeiten – genauso wie in den Kultureinrichtungen – Menschen, mit denen vertrauensvoll zu kommunizieren unerlässlich ist und sich lohnen könnte. (…)

Stattdessen erleben wir eine von beinahe allen Beteiligten mehr oder weniger demagogisch inszenierte Debatte um die Projektförderung in den Medien, bei der persönliche Angriffe die sachliche Auseinandersetzung brutalisieren. Das ist die Schrumpfform von demokratischer öffentlicher Beteiligung. (…)

REINHARD STRÖMER, Ex-Kulturamtsleiter Bremen