Im Nachschuss verwandelt Safiye

Zugunsten des jüdischen Onlinemagazins „haGalil“ kickten Juden und Muslime am Tempodrom miteinander. Das sehr korrekte Ergebnis: 8 zu 8

VON PHILIPP GESSLER

Mit einer beeindruckenden Aufholjagd hat das Fußballteam rot gegen das Team blau am Sonntag beim Tempodrom noch ein Unentschieden herausgeholt. In einer torreichen und sehr fairen Begegnung schien das Team blau gegen Mitte der zweiten Halbzeit mit 8 zu 4 Toren unaufholbar vorn zu liegen – doch eine gewisse Nachlässigkeit der Blauen danach und plötzlich erwachender Kampfeswille der Roten führten schließlich zu einem Remis, mit dem alle leben können.

So weit das Spiel aus sportlicher Sicht – aber der Sport war, zugegeben, bei diesem Match eher zweitrangig. Im Vordergrund des Freundschaftsspiels standen nicht die Tore, es ging um das Zusammentreffen selbst, kickten hier doch jüdische und muslimische Männer und Frauen miteinander (mindestens ein Christ dürfte sich auch noch eingeschmuggelt haben). Der Kick sollte ein Zeichen gegen Antisemitismus und für das jüdische Onlinemagazin haGalil setzen, das aufgrund des Wegfalls staatlicher Unterstützung vor dem Aus steht (die taz berichtete).

Dieser gute Zweck war denn auch der Grund dafür, weshalb das Match von 20 Männern und zwei Frauen – wovon eine früher in der türkischen Nationalmannschaft spielte! – durch den Glanz von Prominenz aufgewertet wurde: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, nach eigenen Angaben als Knabe „rechter Läufer“ in seiner thüringischen Heimat, erklärte wohl gelaunt vor dem Anpfiff, was folge, sei der „feierlichste Anstoß, den dieser Platz je erlebt hat“. Dann schritt er zum Mittelkreis und kickte zusammen mit der jüdischen Kantorin Avitall Gerstetter das Spiel an.

Das Match pfiff der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele aus Kreuzberg. Ein Schiri, der zu Zeiten des Golfkriegs Anfang der 90er mit, vorsichtig gesagt, leicht missverständlichen Aussagen über Israel zu Recht für Empörung vor allem in jüdischen Kreisen gesorgt hatte. „Jeder verdient eine zweite Chance“, kommentierte dies ein jüdischer Spieler gelassen.

Überhaupt, „Gelassenheit“, das ist das Stichwort, unter dem das Spiel am besten zu betrachten ist. Die rund 100 Zuschauerinnen und Zuschauer, darunter einige Kenner aus der Migrantenszene und Fußballerinnen aus Berlin, wollten sich nicht so recht aufregen über eher zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen. Ströbele übersah großzügig mehrere Abseitssituationen, überstimmte seinen Linienrichter, der eine Schwalbe erkannt hatte, und gab in der 37. Minute einen Elfer für Team blau. Ihn verwandelte im Nachschuss die Kapitänin Safiye.

Vor allem dank der vielen Tore sah das Publikum ein kurzweiliges Match, das auch der Moderator Jörg Thadeusz bis zum Ende durchhielt. Beide Mannschaften brüllten nach dem Abklatschen noch dreimal „Gut – Sport!“. Und aus dem Lautsprecher ertönte irgendwie passend der jiddische Klassiker „Bai mir bistu scheyn“, interpretiert von Avitall Gerstetter. Schade bloß, dass selbst beidiesem Spiel ein Polizeiwagen am Rande des Rasens für Sicherheit sorgen musste.