Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Einen Vorteil hat Lafontaines Kandidatur ja: Er kann keine Honorare mehr für Auftritte in Talkshows verlangen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Splittergruppen SPD/WASG/PDS nach der Wahl zu einer Machtalternative fusionieren

In den Geschichts-büchern wird Schröder als pittoreske Episode zwischen Kohl und Merkel auftauchen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Solange Lafontaine noch nicht kandidiert, verlangt er für Talkshow- Auftritte beherzte Gagen „als freier Schriftsteller“.

Was wird besser in dieser?

Lafontaine kandidiert.

Schweres Chaos in der SPD in der letzten Woche. Münteferings Autorität schwindet, die Machtworte des Kanzlers verhallen unerhört. Kriegt Schröder den Laden noch in den Griff?

Der Zocker – „The Gambler“, Time – mag es sich zur Handwerkskunst anrechnen, Trümpfe so und dann auszuspielen, dass und wenn alle überrascht sind. Vertrauensfrage zum Afghanistankrieg, Nein zum Irakkrieg, Verzicht auf Parteivorsitz, nun Neuwahlen. Diesmal ist es ihm sogar gelungen, sich selbst kalt zu erwischen – er hat hinter staatstragenden Worten zu Neuwahlen keine tragfähige Strategie, dahin zu kommen.

Soll die SPD besser mit jemand anderem ins Rennen gehen?

Sie wird ohnehin mit jemand anderem in die Opposition gehen, und das wird Franz Müntefering sein.

Was wird über Kanzler Schröder in den Geschichtsbüchern stehen?

Positiv: Klimawandel hin zu mehr Weltoffenheit, kultureller Liberalität; zaghafte Versöhnung wirtschaftlicher und ökologischer Interessen. Erstes Aufblitzen selbstständiger europäischer Außenpolitik. Kurzatmige und unsystematische, aber überfällige Reformversuche. Negativ: überfällige, aber kurzatmige und unsystematische Reformversuche; Kapitulation vor der Betriebswirtsjunta und damit strukturelle Zerlegung der Sozialdemokratie; Ignoranz vor historischer Aufgabe Rosa, Rot und Braunrot zu integrieren. Insgesamt: Wenig, eine pittoreske Episode zwischen Kohl und Merkel.

Wird die deutsche Öffentlichkeit noch vor dem 18. September entdecken, dass die Union keine Ideen hat und wo sie welche hat – Stichwort Kopfpauschale – solche, die keiner mögen wird? Oder erst danach?

Privileg der Opposition, sich an die Macht zu rüttgern. Wird der 18te Tag der Wahl, ist der 19te schon jetzt der Tag des „Wussten wir ja nicht, dass das Geld alle ist!“-Rituals der nächsten Bundesregierung. Traditionell sagt man, dass Regierungen stets abgewählt werden – nicht eine Opposition um ihrer selbst Willen mandatiert wird.

Wie es aussieht, wird eine PDS-WASG-Liste kandidieren. Ist das eine wählbare Hoffnung für heimatvertriebene Rot-Grün-Wähler – oder das letzte Aufgebot einer veralteten Traditionslinken?

Die WASG ist der letzte und so nicht mehr erwartete Triumph Bismarcks. Seine Sozialgesetzgebung sollte die Sozialdemokratie spalten: in zufrieden abhängige Wohlfahrtsempfänger und einen zu kriminalisierenden Rest. Die WASG-Linie steht für die Verteidigung Bismarcks gegen die Realität, das ist nach 140 Jahren doch ein schöner Ehrentreffer für den Alten.

Muss die SPD Angst vor der PDS-WASG haben?

Die SPD hat selbst das Zehnprozentdesaster in Sachsen verschlafen, erst recht die 15-jährige Marginalisierung im Osten. Irgendwann werden so machthungrige Schrödetten nachgewachsen sein, dass sie WASG und PDS wieder einsammeln und zu einer Machtalternative fusionieren werden. Historisch also muss die SPD nun fühlen, was sie vorher nicht hören wollte, und wo die Angst ist, geht’s schließlich lang.

Ab Mittwochabend brüten in Brüssel die EU-Staatslenker über EU-Krise und den Haushalt. Gibt es eine Lösung nach dem dreifachen Nein aus Frankreich, Niederlande und Großbritannien? Oder wird einfach alles still vertagt?

Kann mir mal einer erklären, was irgendwelche Finanztransaktionen mit dem anschwellenden Nein zur Verfassung zu tun haben? Außer, dass man beides ungefähr gleich überhaupt nicht versteht noch kennt? Gesucht ist sehr offensichtlich eine europäische Sozialcharta und nicht Bakschisch für Jastimmen.

Und was macht die deutsche Nationalmannschaft?

Mir Spaß. FRAGEN: SR