DAS ENERGIEWIRTSCHAFTSGESETZ WIRD NICHT ZU PREISSTÜRZEN FÜHREN
: Politischer Überspannungsschutz

Es wird also doch noch Politik gemacht, in dieser wahlkämpferischen Republik: Bundesrat und Regierung einigten sich auf ein Vermittlungsergebnis zum Energiewirtschaftsgesetz. Das ist gut und wichtig. Einerseits haben nämlich die Fachpolitiker jahrelang um dieses Gesetz gerungen. Es nun aus parteipolitischem Kalkül scheitern zu lassen, wäre eine unverantwortliche Vergeudung von Ressourcen, Kraft und Energie. Andererseits hat sich die Idee, die Aufsichtshoheit über ihr Preistreiben der Wirtschaft selbst zu überlassen, als das erwiesen, was sie von Anfang an war: Augenwischerei.

Die Politik – Wirtschaftsminister war damals Werner Müller – hatte mit der Industrie eine Selbstverpflichtung namens Verbändevereinbarung getroffen, die Fairness untereinander und gegenüber dem Kunden garantieren sollte. Nicht erst seit den Debatten über Raubtierkapitalismus wissen wir, dass Fairness dem praktizierten Wirtschaftsleben in etwa genauso fremd ist wie eine Sommerwiese dem Mond. Dutzendfache Verurteilung wegen Marktmissbrauch und Preisübertreibung durch die Kartellbehörden belegen dies.

Ab 1. Juli also gibt es einen Schiedsrichter, der die Verbraucher vor den Diadochenhieben der Marktteilnehmer schützt. Wer allerdings die Hoffnung hegt, die Energiepreise könnten so purzeln wie die Telefonkosten nach der Einführung der Telekom-Regulierungsbehörde, wird – zumindest mittelfristig – enttäuscht werden. Der kleine Nachschlag vornweg: Selbst wenn sich jetzt einige Preise als überteuert erweisen, die die Energieversorger in Erwartung des Energiewirtschaftsgesetzes sich noch schnell selbst genehmigten – der drastische Preisanstieg auf den Rohstoffmärkten lässt sie heute allemal gerechtfertigt erscheinen.

Dennoch wird sich dank des Gesetzes absehbar die Verbraucherposition verbessern. Erstens wird der Schiedsrichter Wettbewerbsraufbolden auf die Finger klopfen. Mehr fairer Wettbewerb bringt Preisvorteile. Zweitens werden die Kalkulationen der Energiepreise transparenter. Und drittens wird dadurch endlich klar: Schuld an teurem Strom sind nicht die erneuerbaren Energien. NICK REIMER