aus der mensa: sire, gebt gebührenfreiheit! von HARALD KELLER
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„Studiengebühren?“ Klumpe schält sich aus der imaginären Nebelwand, die ihn ständig umfängt. Eben noch waren die Gespräche der Gruppe über kreuz gegangen. Diagonal von links nach rechts verhandelte man die Frage, ob Kalamari – im Jargon unserer Lieben heißen sie „Gummiringe“ – zu den essbaren Lebensmitteln zählen. Halbschräg daneben ergötzte man sich nacherzählender Weise an Harald Schmidts Kettensägenexperimenten, während der auf Billigwaren versessene Old Wabble ungefragt die kommenden Sonderaktionen der Discountketten Friedl und Poldi ausposaunte, für die er zwar keine Verwendung hat, die er aber, wie er völlig hingerissen kundtat, dennoch kaufen werde – weil: „So billig kriegt man das nie wieder!“

Wabble hat seine Lebensführung in schon sehr erstaunlichem Maße auf diese Angebotswellen abgestellt und beispielsweise seinen kürzlich erfolgten Umzug im Hinblick auf eine fällige Renovierung so terminiert, dass er bei Poldi rechtzeitig günstige Wandfarbe kaufen konnte. Immer nach dem Motto: besser zu viel als zu wenig.

Jetzt, da das Pfui-Wort „Studiengebühr“ gefallen ist, werden die Gedanken sortiert und alle sind halbwegs beieinander. Auslöser war Strunk, der über Gerhard Schröder herzog und dessen Ankündigung, den Regierungswechsel vorziehen zu wollen. Denn damit dürften, was Studiengebühren angeht, in absehbarer Zeit die letzten Barrieren weggesprengt werden.

Die Damen tragen Trauer, die Herren stellen Unmut zur Schau. Denn wer könnte wohl besser als die am Tisch Versammelten darüber berichten, dass Studiengebühren längst zum Alltag wissbegieriger Menschen gehören? Jeder vermag aus seinem Fach- und Wirkungsbereich zum Thema beizutragen. Geierschnabel zum Beispiel findet in der Bibliothek nur das Nötigste, ist also auf teure Eigenanschaffungen und auf die Fernleihe angewiesen. „Seit Anfang des Jahres kostet die Bestellung einsfünfzig“, murrt er. Das kann vergeudetes Geld sein, denn man weiß nicht immer, ob man das Bestellte überhaupt gebrauchen kann. Einige Institute begnügen sich bereits nicht mehr mit diesem Betrag. Die Bayerische Staatsbibliothek verlangt für die Kopie eines Aufsatzes vier Euro. Per Vorkasse. Droll reckt sich und setzt noch eins drauf – er hat schon einmal 18 Euro bezahlt.

„Das ist ja Wegelagerei!“ Hannis Stimme schraubt sich hoch in den Diskant. Strunk nickt. Er reist gelegentlich in die Nachbarstadt, deren Universitätsinstitute besser ausgestattet sind. Aber dort wird man auf andere Weise ausgeplündert: Der Münzeinwurf der Fotokopierer wurde abgeschafft, seit einiger Zeit sind Magnetkarten vonnöten. Das Stück zu fünf Euro 20. Pech für den, der nur eine Kopie zu machen hat.

Die Stimmung ist trüb an diesem Tag. Studiengebühren in der Höhe, wie sie durch die Presse geistern, wird sich keiner der bereits in allerlei Nebentätigkeiten verstrickten Tischgenossen leisten können. Gedankenverloren stochert Droll im musartigen Rahmgeschnetzelten, das eben noch Gegenstand eines zornigen Räsonnements gewesen war. Vielleicht wird man den mit Fleischresten durchsetzten Glutamatbrei in Bälde schon wehmütig vermissen.