Castor-Stopp für zehn Minuten

Der letzte Atommülltransport vom sächsischen Rossendorf ins Zwischenlager Ahaus verlief zumeist ohne Zwischenfälle. Bei Radeberg hielten die Gegner ihn allerdings auf

Anwohner verstehen den Protest nicht und sind froh, dass „das Gelumpe fortkommt“

RADEBERG taz ■ Die letzten sechs der 18 Castor-Behälter aus dem ehemaligen Kernforschungszentrum Rossendorf mussten auf ihrem Transport ins Zwischenlager Ahaus in Sachsen eine etwas längere Verzögerung hinnehmen als an den vorausgegangenen Montagen. In einem Waldstück ausgangs der Stadt Radeberg auf dem Weg zur Autobahn A4 hatten sich etwa zwei Dutzend Transportgegner seit den Vormittagsstunden versteckt gehalten. Nachdem zwei der sechs Sattelschlepper und der größte Teil der Polizeikolonne die Steigungsstrecke bereits passiert hatten, sprangen sie auf die Straße und blockierten den Transport – etwa zehn Minuten lang.

Auf zwei Transparenten forderten sie „Stopp Atom!“ und für ein symbolisch angedeutetes Kernkraftwerk „Enteignen, abschalten, sofort!“. Die Polizei trug und drängte die Demonstranten dann aber wieder von der Straße. Mehrere von ihnen konnten durch den Wald flüchten. Bei der Feststellung der Personalien und den obligatorischen Filmaufnahmen kam es zu teils heftigen verbalen Attacken.

Der ehemalige grüne Dresdner Stadtrat Wolfhard Pröhl wurde auch körperlich hart bedrängt. Nach Angaben von Polizeisprecher Andreas Wolf wurden insgesamt 17 Personen festgestellt, gegen die aber absehbar nicht mehr als ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden wird. Die Transportgegner zeigten sich zufrieden mit ihrer Aktion, wegen der die Straße für Autofahrer noch einmal 30 Minuten länger gesperrt blieb.

Zuvor hatten acht „Robin Wood“-Anhänger in Radeberg bereits eine ähnliche Blockade versucht, waren aber zu schnell abgedrängt worden. Am Tor des früheren Kernforschungszentrums nahe Dresden hielt wie seit Sonntag wiederum eine kleine Gruppe eine Mahnwache ab. In Radeberg hingen Plakate „Wir stellen uns quer!“.

Anwohner und zahlreiche Schaulustige zeigten indessen wenig Verständnis für die Proteste. Man sei froh, „dass das Gelumpe endlich fortkommt“, war zu hören. Diskussionen mit Transportgegnern, die dieses St.-Florians-Prinzip anprangerten und auf ungeklärte Endlagerungsfragen verwiesen, liefen ins Leere. „Das Zeug sollte in einer ähnlichen Nacht-und-Nebel-Aktion wieder verschwinden, wie es seinerzeit in der DDR hergebracht wurde“, erklärte der Wirt der nahe gelegenen Gaststätte „Schänkhübel“.

Autofahrer, die wegen der Blockade länger im Stau stehen mussten, beschimpften die Transportgegner. Nach Angaben der Polizeidirektion Gera verlief der Transport durch Thüringen am Montagnachmittag störungsfrei.

Mit dem vorläufig letzten Castor-Transport wurden 951 abgebrannte kleinere Brennstäbe aus dem 1991 abgeschalteten russischen Forschungsreaktor ins Zwischenlager Ahaus entsorgt. Udo Helwig, Vorsitzender des Rossendorfer „Vereins für Verfahrenstechnik und Analytik“, der heute die Anlagen betreibt, räumte ein, dass nach dem Abtransport der alten Brennstäbe die Sicherheitsvorkehrungen nicht gemildert werden könnten.

Nach wie vor befindet sich weiteres radioaktives Material wie Thorium auf dem Gelände. „Wir müssen unter 1 kg hoch angereichertes Material kommen“, sagte Helwig. Die Castoren hätten in Rossendorf ebenso sicher wie in Ahaus gelagert werden können, dennoch habe man die Abfälle möglichst schnell loswerden wollen. In Ahaus sollte der Transport heute Morgen ankommen. Für gestern Abend war dort eine Kundgebung geplant.

MICHAEL BARTSCH