Was will die Union?
: Kommentar von Stefan Reinecke

Langsam zeichnen sich die Konturen des Wahlkampfs ab, aber schlauer ist man deshalb nicht. Die SPD will nach ihrer Chaoswoche einen Lagerwahlkampf gegen die unsoziale Union inszenieren. Das dürfte schwierig werden – trotz der beeindruckenden Liste der Grausamkeiten des Wirtschaftsflügels der CDU. Das Publikum, nachtragend, wie es ist, vergisst nicht, warum es diese Neuwahlen gibt: Schröder will ein Plebiszit für seine Politik, also Agenda 2010 plus Steuersenkung für Reiche. Der Rollenwechsel aus dem Brioni-Mantel ins Robin-Hood-Kostüm muss sogar Schröders schauspielerisches Talent überfordern.

 Zweitens will die Union, hört man auf ihren vielstimmigen Chor, sehr viel und meistens auch das Gegenteil davon. Also weg mit der Eigenheimzulage – oder gerade das nicht. Runter mit dem Sozialstaat – oder genau das auf keinen Fall. Ansonsten wird die Mehrwertsteuer erhöht, wenn es der Binnennachfrage nicht schadet.

 Dieses Stimmengewirr hat den Effekt, dass die SPD-Angriffe ins Leere laufen. Das könnte auch anders sein. Wolfgang Schäuble, der einzige Intellektuelle in der Union, meint, dass die Union die Wahl gewinnen wird und deshalb schon jetzt sagen soll, was sie vorhat. Das wäre für die Demokratie ein Gewinn, es würde für jene Unterscheidbarkeit sorgen, die derzeit fehlt.

 Angela Merkel aber möchte derzeit nicht unterscheidbar sein. Sie versucht, in ihren Sätzen so oft wie möglich und über die Grenzen der deutschen Grammatik hinaus das Wort „Arbeitsplätze“ unterzubringen. Ansonsten tut sie, was sie am besten kann: abwarten. Und erst entscheiden, wenn es möglichst wenig kostet.

 So wird bei dem zentralen Thema, der Arbeitspolitik, bis zum 18. September vielleicht niemand entscheiden können, ob eine Detailkorrektur oder ein Angriff auf die soziale Architektur der Republik zur Wahl steht. Befürchten muss man mit Blick auf Merkels neoliberale Neigungen Letzteres – wissen wird man es nicht.

 Eine seltsame Lage. Eigentlich sollte vor einer Wahl das Programm der Parteien klar sein – und offen, wer gewinnt. Diesmal ist es umgekehrt. Was zur Wahl steht, bleibt offen. Nur der Sieger steht schon fest.