Fernwehlieder, glitzernde Tanzbodenmusik: gute Unterhaltung mit Rummelsnuff und Freddy Fischer

Der eine hat dicke Muskeln, der andere dicke Koteletten. Der eine trägt stets einen Hut auf dem Kopf, der andere eine hohe Stirn. Der eine singt von harter Arbeit, der andere von ewiger Liebe. Eins aber haben Rummelsnuff und Freddy Fischer dann doch gemeinsam: Beide nehmen sich nicht allzu ernst.

Und das sollte man wohl auch nicht, wenn man ein aufgepumpter Bodybuilding-Lehrer und Berghain-Türsteher ist wie Roger Baptist. Nach dem Ende seiner Band Die Freunde der Italienischen Oper hat sich der neu erfunden als Kunstfigur Rummelsnuff. Aus der Karikatur schwuler Sehnsüchte zwischen Jean Genet und Tom of Finland wird nun spätestens mit dem dritten Album „Himmelfahrt“ ein musikalisches Phänomen.

Mal singt er darauf eine Hymne auf den Berufsstand des KFZ-Mechanikers und dann einen sentimental schunkelnden Klagegesang auf das Fernweh, das man in einer Gefängniszelle entwickeln kann, der wiederum gefolgt wird von einem herzhaft rumpelnden Electro-Rock-’n’-Roll, in dem er seinem Brotberuf huldigt („Der Türsteher“). Seltsam ist dabei weniger die Diskrepanz in den Themen, sondern wie gut Rummelsnuff mittlerweile funktioniert. Das ist umso erstaunlicher, weil Baptist kein bisschen singen kann und auch die Beats, die ihm unter das brummige Stimmchen gelegt werden, oft wenig innovativ und meist ziemlich dünn geraten sind. Aber trotzdem haben die romantischen, von Schifferklavier gestützten Seefahrerlieder ihren Reiz und entwickeln sogar Rosenstolz-Kitsch wie „Eine kleine Ewigkeit“ oder ein Cover von Boney M.s „Daddy Cool“ einen sympathischen Charme. Der entsteht vor allem durch die stets vorhandene Selbstironie: Am deutlichsten im programmatischen Song „Derbe Strommusik“, der nicht nur mit einer recht realistischen Einschätzung der eigenen Qualitäten („analog, digital, stromerzeugte Ohrenqual“) überzeugt, sondern auch als gelungener Versuch, Motörhead mit elektronischen Mitteln nachzustellen. Vielleicht ist es das: Da macht einer Musik, die ihm gefällt. Zwar nur mit eingeschränkten Mitteln, aber dafür mit seinen eigenen. Man darf das ruhig authentisch nennen.

Freddy Fischer verfährt dagegen umgekehrt. Während Rummelsnuff die Klischees überzeichnet, versucht Fischer mit seiner Cosmic Rocktime Band die Faszination an Disco- und Bigbandmusik aus einer Zeit herauszuarbeiten, bevor diese zum Klischee verkamen. „Wo ist Deine Liebe?“, fragt er, oder auch „Wohin kannst Du gehen mit Deiner Sehnsucht in der Hand?“, während der Tanzboden glitzert und die Fönwellen wippen. Bläser, Streicher, Hammond-Orgel und eine höllisch exakte Rhythmus-Sektion finden zielgenau die goldene Mitte zwischen dem Glamour-Funk von Chic und den legendären Swing-Aufnahmen von Manfred Krug mit Günther Fischer. Freddy Fischers großartiges Album „Dreimal um die Sonne“ erscheint offiziell zwar erst im Juni, aber kann bis dahin schon bei den Konzerten, zum Beispiel nächsten Donnerstag im Monarch, gekauft werden. Und dann kann Jan Delay einpacken. THOMAS WINKLER

■ Rummelsnuff: „Himmelfahrt“ (Out Of Line/ Rough Trade), Record Release Concert am 17. 5. im K17

■ Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band: „Dreimal um die Sonne“ (Sounds of Subterrania/Rough Trade), live am 17. 5. im Monarch