Die Armut vieler Berber wächst

AUF DER PLATTE Laut Sozialbehörde leben in Hamburg weniger Obdachlose – aber diese immer länger in der Obdachlosigkeit. Die Zahl der nicht-deutschen unter ihnen steigt

„Die Zunahme der Dauer von Obdachlosigkeit weist auf eine Verstetigung der Armutslage hin.“

VON MARCO CARINI

Die Tendenz stimmt: Nach einer von der Sozialbehörde in Auftrag gegebenen Studie hat die Zahl der Obdachlosen in Hamburg seit 2002 um fast 20 Prozent abgenommen. Lag die Zahl der erfassten Personen, die auf der Straße leben, vor sieben Jahren noch bei 1.281, so sank sie 2009 auf 1.029 Menschen.

Allerdings: Mit dem Altersdurchschnitt der Obdachlosen, der mit 43 Jahren drei Jahre über dem von 2002 liegt, wächst auch die Durchschnittsdauer der individuellen Obdachlosigkeit. Lag diese 2002 bei 47 Monaten, so stieg sie in diesem Jahr auf 58 Monate an. Für die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ksenija Bekiris ist dies „ein Alarmsignal“, das auf „eine Verstetigung der Armutslage“ und eine „Verfestigung der Obdachlosigkeit“ in Hamburg hinweise. Die Sozialpolitikerin fordert deshalb, „die Bekämpfung von Langzeit-Obdachlosigkeit“ müsse „ein besonderer Schwerpunkt“ des Hilfesystems werden.

Verschlechtert hat sich nach der Studie des „Büros für Sozialpolitische Beratung“ auch die soziale Situation vieler Obdachlosen: Immer weniger von ihnen beziehen Sozialleistungen – etwa Arbeitslosengeld II – und sind deshalb auf Betteln angewiesen oder ganz ohne Einkommen. Ein Grund dafür ist der sprunghafte Anstieg nicht-deutscher Personen unter den Berbern, deren Anteil mittlerweile bei 27 Prozent liegt. Die meist aus neuen EU-Ländern wie Polen und Bulgarien stammenden Personen haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen, verfügen meist über keine Krankenversicherung und leben deshalb oft in „ausgeprägten Armutslagen“.

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) will nun „das Hilfesystem entsprechend den neuen Anforderungen“ umbauen, um diese „Entwicklung zu stoppen“. Denn während immer mehr Obdachlose die Hilfsangebote – vom Winternotprogramm über Aufenthaltsstätten bis hin zur Wohnungsvermittlung– intensiver nutzen als noch vor Jahren, sind die nicht-deutschen Berber schon aufgrund von Sprachproblemen schwerer in die Angebote zu integrieren. Ziel müsse es aber sein, so Wersich, „in Zusammenarbeit mit den Konsulaten“ die „Reintegration“ dieser Wander-Obdachlosen „in ihre Herkunftsländer“ zu forcieren.

Da sich vor allem ältere Langzeit-Obdachlose laut Wersich „oft mit der Langzeit-Obdachlosigkeit arrangiert“ hätten und deshalb seltener Hilfsangebote annehmen würden, will der Senator hier nach Wegen suchen, „alle Möglichkeit der Unterstützung auszuschöpfen“.

Auch Peter Laschinski von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege warnt davor, aufgrund des Rückgangs der Obdachlosenzahlen Entwarnung zu signalisieren. „Dass noch immer über 1.000 Menschen unter Brücken liegen, sich in Büschen verkriechen und am Straßenrand dahinvegetieren“, stelle auch in Zukunft „eine große Herausforderung zum Handeln“ dar.

Jan von Aken von der Linkspartei bewertet es als „Skandal“, dass „in einer so reichen Stadt wie Hamburg über 1.000 Menschen auf der Straße leben“. Das Gebot der Stunde sei deshalb, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln und so bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.