Schwimmt, wackelt und hält dicht

Anderthalb Jahre nachdem die „Pride of America“ in Bremerhaven kenterte und beinahe die Lloyd Werft in den Untergang gerissen hätte, wird der Luxusliner heute in New York getauft. Wenn’s klappt. Ganz sicher ist das nicht

Vielleicht gebiert Größenwahn größtmögliche Katastrophen und vielleicht hat es ein Schiff, das sich „Stolz Amerikas“ nennt, nicht besser verdient, als im Rohbau kläglich zu kentern. Aber das war dann doch ein bisschen zu viel: Im Januar vorigen Jahres lief die „Pride of America“ in Bremerhaven auf Grund und zog nicht nur den ersten neuen Luxusliner unter US-Flagge seit fast 50 Jahren in die Tiefe, sondern auch die 525 Beschäftigten der ortsansässigen Lloyd Werft samt 2.000 Zulieferern gleich mit. So schien es jedenfalls zunächst, denn das Traditionsunternehmen meldete Insolvenz an, als ihr 330-Millionen-Auftrag an einem stürmischen Wintertag voll Wasser gelaufen war.

Doch die Belegschaft hielt zusammen, der Insolvenzverwalter leistete gute Arbeit und nun kriegt die PoA ihren Namen sogar ganz offiziell. Wenn alles glatt läuft, wird das 280 Meter lange Schiff heute in New York feierlich getauft und man muss sich fragen: Hat die Welt auf so etwas gewartet?

Auf ein schwimmendes Cadillac Diner mit reichlich Chrom, fettigen Hamburgern und Bedienung in Pink? Ein mehrstöckiges Atrium im Stile des Washingtoner Capitols oder ein aufdringliches US-Staatswappen zu Füßen der luxussatten Empfangshalle? Und dann dieses Außendekor: Pride of America in dicken Lettern, mit fliehenden Stars-and-Stripes umflort.

Ausgerechnet der 11. September 2001 hatte dem Traumschiff einen ersten Strich durch die Rechnung gemacht: Die American-Classic-Voyages-Werft hielt dem terrorbedingten Einbruch der Tourismusbranche nicht stand und gab nach dem Konkurs den zwei Jahre alten Rumpf an die Norwegian Cruise Line (NCL) in Florida ab. Die US-Reederei, Teil der malaysischen Genting-Group, schickte den Kreuzfahrer postwendend nach Bremerhaven.

Ein Glücksfall, dachte man dort. Allerdings die Pannenserie, deren Höhepunkt das Sturmtief „Hanna“ vor 17 Monaten setzte, riss nicht ab. Schon kurz nachdem NCL den Rumpf über den Atlantik hatte schleppen lassen, musste die Fertigstellung verschoben werden: Die Reederei hatte den Neubau um 24 Meter vergrößert. „Wir müssen hier ein Schiff bauen, das noch gar nicht zu Ende konstruiert ist“, stöhnte Werftchef Werner Lüken damals. Und ahnte nicht, dass vor den erhofften 2.144 zahlenden Passagieren erst mal 40.000 Tonnen Wasser an Bord gehen würden.

Gut 150 Millionen Euro Reparaturaufwand, dazu 30 Millionen für die fällige Konventionalstrafe und Monate intensiver Verhandlungen mit 63 Versicherern später, stand der Übergabetermin fest: Montag voriger Woche. Er verstrich erneut. Grund: endlose Kontrollen durch die US-Küstenwache. Man sagte die Testfahrt durch den englischen Kanal ab und musste 450 Gäste ausladen. Am Dienstag klappte es dann doch, der Kaufpreis von 330 Millionen Euro landete auf deutschen Konten, zwei Stunden später zog NCL-Chef Colin Veitch die US-Flagge am Hauptmast auf. Dabei sind die Arbeiten an Bord noch gar nicht beendet: Die Reederei hat wieder neue Wünsche geäußert, laut Werftgeschäftsführer Rüdiger Pallentin „in letzter Minute“.

Lloyd-Chef Lüken fühlt sich dennoch in seinem Optimismus bestätigt: „Ich habe die ganze Zeit darauf vertraut, dass es klappt.“ Jetzt könne man die Insolvenz beenden. Glück im Unglück also für den gebeutelten deutschen Schiffbau – zumal NCL allein in der Papendorfer Meyer Werft vier weitere Luxusliner bauen lässt. Wenigstens bis zum nächsten Sturmtief. Jan Freitag