„Viel zu offen“

Ein Gespräch mit dem Staatsrechtler Erich Röper über den CDU/SPD-Kompromiss im Kopftuchstreit

An dem Kompromisspapier der großen Koalition zum Tragen religiöser Symbole an den Schulen ist erste Kritik laut geworden. Obwohl Bildungssenator Lemke die Eindeutigkeit des Verbots betont, sehen die Grünen darin einen Formelkompromiss, der zu Einzelfallklagen führen wird.

Wird jetzt die Schulbehörde zur Sachwalterin der weltanschaulichen Neutralität an den Bremer Schulen?

Erich Röper, Staatsrechtler und CDU-Mitglied: Die letzte Entscheidung hat in jedem Falle die Schulbehörde. Die Schule braucht keine eigene Entscheidung zu fällen, sondern sie kann jeden Einzelfall, der ihr vorgetragen wird, ihrerseits an die Schulbehörde weitergeben. Aber das Ermessen des Schulfriedens ist natürlich gerichtlich nachprüfbar. Und darin zeigt sich, dass dieser ganze Gesetzentwurf dem Problem nicht gerecht wird.

Weil er eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Gerichte“ ist, wie die Grünen kritisieren?

Nicht deshalb, weil, wie die Grünen meinen, jetzt eine Unmasse von Prozessen erfolgte. Damit ist immer dann nicht zu rechnen, wenn es einige Grundsatzentscheidungen gibt, an denen entlang die Schulbehörde ihre Entscheidungen treffen kann.

Die Schulbehörde bräuchte somit Entscheidungsvorgaben, die die Politik nicht liefert.

Das ganze Gesetz ist viel zu offen formuliert. Es geht immer darum, ob es zu Spannungen kommt, die den Schulfrieden verletzen. Es vermeidet aber die objektive Entscheidung zur Bedeutung religiöser Symbole, an der sich die Schulbehörde und Gerichte orientieren können.

Wie, glauben Sie, werden die Entscheidungen in der Praxis gefällt werden?

Es wird Stadtteile geben, in denen die Leute großen Wert darauf legen, dass keine Zeichen religiöser oder weltanschaulicher Art von den Lehrerinnen und Lehrern gezeigt werden. Und in anderen wird es den Schülern oder Eltern relativ egal sein. Dadurch wird es eine Ungleichheit an den Schulen geben, die kein anderes vergleichbares Gesetz in dieser Form hat. Niedersachsen etwa stellt darauf ab, ob das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften Zweifel an ihrer Eignung begründet. Nur darauf kommt es an.

Das heißt, das Bremer Gesetz ist nicht praxistauglich?

Dieser Gesetzentwurf ist der Versuch der beiden Koalitionsfraktionen, ihre eigenen Grundsätze zu verwirklichen und das Ganze kompatibel zu machen mit der Spezialmeinung von Herrn Scherf.

Sind Sie einig mit dem Bildungssenator, der gesagt hat, jetzt seien die religiösen Symbole aus der Schule verbannt?

Das kann ich noch nicht sehen, das ist so weitgehend auch nicht gewollt. Interview: grä