Das bizarre Versprechen vom Anderssein

taz-Serie „Rund um den Alex“ (Teil 2): Die Zukunft des Einkaufens ist weiblich und von sanfter Schönheit. So jedenfalls sieht es der portugiesische Investor Sonae Imobiliária, der an der Alexanderstraße eine neue Shopping-Mall namens „Alexa“ baut

von UWE RADA

Folgt man der Prognose von Alfred Döblin, sieht die Lage nicht gut aus. „Wiedersehen auf dem Alex. Hundekälte. Nächstes Jahr wird es noch kälter.“ Wie ein Menetekel für die Zukunft von Berlin-Alexanderplatz sind die Sätze aus Döblins Roman in Großlettern auf die Fassade des „Hauses der Elektroindustrie“ montiert. Auf der anderen Seite des Platzes dagegen scheint die Zukunft rosig. „Wir wollen die Formen- und Farbenwelt des Art déco zu neuer Geltung kommen lassen“, sagt Fernando Oliveira, Vorstand des portugiesischen Investors Sonae Imobiliária. Ganz folgerichtig hat Oliveira dem im Bau befindlichen Shoppingcenter entlang der Alexanderstraße einen weiblichen Namen verpasst – Alexa.

Alexa also, im Internet schon ein Versprechen: „bizarre Sitzungen, strenge Erziehung, keine 0190 Abzocke“. Als Shopping-Mall ist das 300 Millionen Projekt, das von Sonae und einem französischen Investor bis Herbst 2006 aus dem Boden gestampft wird, nicht minder rätselhaft. „Unsere vorherrschende Philosophie“, versprich Sonae-Deutschland-Chef Ted Kupchevsky, „ist das Anderssein.“

Was aber ist Alexa wirklich? Die andere, weibliche Seite des Platzes? Oder nur eine weitere Shopping-Mall mit Aldi, Kaisers und Medimax. Und: Funktioniert das Versprechen dort überhaupt, auf jener innerstädtischen Brache, auf der bis dato nur die Autos parkten und in der Vorweihnachtszeit die Autoscooter?

Nils Busch-Petersen ist ein großer Verehrer von Alexa. „Sonae ist bekannt dafür, dass es originelle Einkaufszentren mit unverwechselbarem Konzept erfolgreich betreibt“, sagt der Chef des Berliner Einzelhandelsverbandes. Zwar glaubt auch Busch-Petersen nicht daran, dass Berlin weitere Einkaufszentren benötige. Am Alexanderplatz allerdings, lautet Busch-Petersens Verheißung, liege die Lage anders. „Das neue Projekt wird die Zentralität des Alexanderplatzes erhöhen.“

Etwas skeptischer ist da Holger Weber, Immobilienfachmann bei der HypoVereinsbank. „Der Alexanderplatz ist vor allem ein Verkehrsknoten. Einzelhandel funktioniert dort, wo er in fußläufiger Nähe zu U- und S-Bahn liegt.“

Am falschen Standort sieht der Immobilienexperte die Alexa dennoch nicht. „Shopping-Malls haben eigene Zielverkehre. Dorthin fahren die Kunden ganz bewusst, kommen mit der S-Bahn, kaufen ein, nicht mehr als zwei Tüten unterm Arm, und fahren wieder nach Hause.“ Womit, ganz nebenbei, die Besonderheit des bizarren Versprechens namens Alexa beschrieben wäre – eine Solitärin, die aus sich selbst heraus lebt, nicht abgehängt von der Umgebung, aber auch nicht unbedingt auf sie angewiesen. Alexa, die selbstbewusste Schöne mit den sanften Rundungen.

Welchen Erfolg sie damit beim Berliner Publikum haben könnte, zeigt sich nicht zuletzt in Architektenkreisen. In der virtuellen Quasselbude des „Deutschen Architekturforums“ jedenfalls ist man(n) positiv vom kurvenreichen Entwurf der Mall überrascht – und das, obwohl das aus drei Baukörpern bestehende Ensemble nicht einmal den Namen eines Urhebers trägt. Auch das wohl Teil der portugiesischen Shopping-Philosophie („Have fun with us“), die nicht mit dem Ruhm von Architekten klappert, sondern mit dem fertigen Produkt. Ganz so wie das introvertierte Sony-Center am Potsdamer Platz, das, kaum war es fertig gestellt, der Chrysler-City mit ihrem Reigen von Stararchitekten den Rang abgelaufen hat.

Doch das könnte es dann auch gewesen sein. Nach der Alexa, glauben viele Experten, wird Schluss sein mit dem „Einzelhandelsstandort“ Alexanderplatz. Zwar wird derzeit noch das Berolinahaus zum Flaggschiff von C & A am Alex ausgebaut. Doch das lebt wie die Galeria Kaufhof vom Umsteigeverkehr der U- und S-Bahn.

Rund um den Alex dagegen wird sich nur noch wenig tun in Sachen neuer Shopping-Tempel. Der überraschende Rückzug des US-Handelsriesen Wal-Mart aus den Rathauspassagen, meint die grüne Baupolitikerin Claudia Hämmerling, habe das Ende der Fahnenstange angedeutet. Da hilft es auch nicht, wenn Ted Kupchevsky von Sonae Deutschland bereits ein neues Versprechen parat hat: Die Alexa, sagt er, sei wie ein Schneewittchen, das den Rest des Alexanderplatzes wachküssen werde.