Waschweiber

Pressefreiheit in Algerien: Seit einem Jahr sitzt der regierungskritische Journalist Benchicou im Gefängnis. Präsident Bouteflika reicht das nicht

AUS MADRID REINER WANDLER

Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika hat alles, was er braucht. 85 Prozent wählten ihn vor einem Jahr zum zweiten Mal ins Amt des Staatschefs. Die absolute Mehrheit des Parlaments unterstützt seine Politik. Und dennoch ist der 68-Jährige nicht zufrieden. Die Presse macht ihm zu schaffen. Allzu offen kritisiert sie ihn. „Waschweiber“ nannte er die Journalisten dafür im Wahlkampf. Jetzt gelten sie ihm gar als Gehilfen verschiedener „wirtschaftlicher und politischer Interessengruppen, die die Journalisten dazu bringen, das Gesetz zu brechen und gegen die Leute vorzugehen“.

Die algerische Justiz lässt sich dies nicht zweimal sagen und sorgt im Sinne ihres höchsten Arbeitgebers für Recht und Ordnung. Dutzende von Journalisten wurden im vergangenen Jahr mit Verleumdungsklagen überzogen. Ihr Verbrechen: Sie hatten allzu offen über Machtmissbrauch und Korruption in Politik, Verwaltung und den Staatsunternehmen berichtet. Meist kamen die betroffenen mit einer mehrmonatigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe davon – bis auf einen: den Herausgeber der Tageszeitung Le Matin, Mohamed Benchicou.

Er sitzt seit Juni 2004 in Haft. Benchicou war auf dem Flughafen in Algier mit dem Einzahlungsbeleg einer hohen Summe festgenommen worden. Der Justiz reichte dies, um den streitbaren Journalisten zu zwei Jahren Haft wegen „eines Verstoßes gegen die Gesetzgebung zur Kapitalbewegung“ zu verurteilen. Den wahren Grund für die Strafe sehen die Mitarbeiter von Le Matin sowie nationale und internationale Journalistenorganisationen freilich woanders. Benchicous Le Matin hatte im Wahlkampf immer wieder über Korruptionsfälle aus dem Umfeld des Präsidenten berichtet. „Bouteflika, ein algerischer Betrug“, lautete eine der Schlagzeilen. Ein alter Vorwurf: Schon Ende der 70er wurde dem damaligen Regierungsmitglied Korruption vorgeworfen. Bouteflika verbrachte daraufhin die Jahre 1981 bis 1987 im Exil, bis die Anschuldigungen gegen ihn fallen gelassen wurden.

„Nachdem sie unseren Herausgeber eingesperrt haben, veranlassten sie Anzeigenkunden und Banken, zu uns auf Distanz zu gehen“, berichtet Chefredakteur Youssef Rezzoug. Die Folgen: Die Schuldenlast erstickte Le Matin. Schließlich wurde das Unternehmen zwangsversteigert. Der Käufer öffnete die Redaktion nie wieder.

Trotz Protesten der Journalistengewerkschaft in Algerien und von „Reporter ohne Grenzen“ vor der Botschaft des Landes in Paris kennt Bouteflika keine Gnade. Die Justiz geht weiter gegen den mittlerweile in der Haft erkrankten Benchicou vor. Ende April wurde er wegen Verleumdung zu weiteren 5 Monaten Haft verurteilt. Die nächsten Verfahren sind bereits in Vorbereitung.

„Die eigentliche Sinn der Freiheit und Würde der Presse gibt den Journalisten nicht das Recht, sich als Richter oder Kläger aufzuspielen, sondern muss dazu führen, dass sie ihre tägliche Praxis mit moralischen Werten und gesellschaftlichen Idealen und Prinzipien ausstatten“, hieß es in einem Kommuniqué Bouteflikas zum diesjährigen Tag der Pressefreiheit.