MICHAEL-JACKSON-PROZESS: DIE JURY BLIEB GLAUBWÜRDIG
: Das Beste, was für Geld zu haben ist

Geschworenen-Gerichte in den USA waren einst Ausdruck eines selbstbewussten, demokratischen Volkswillens. Ihr Ruf hat in letzter Zeit allerdings stark gelitten – zu befangen seien sie in Vorurteilen ethnischer oder religiöser Art, zu nachgiebig gegenüber vorherrschenden Stimmungen. Das traf im Besonderen auf Verfahren zu, die die Geschworenen selbst zum Gegenstand medialer Aufmerksamkeit machten. Die Versuchung, am Glanz der Publizität teilzuhaben, erwies sich als schier übermächtig, wie zuletzt der Fall des ehemaligen Football-Stars O. J. Simpson lehrte: Jury-Mitglieder verkauften sogar Exklusivauftritte in den Medien.

Gemessen an solchen Erfahrungen hat das Urteil der Geschworenen im Fall Michael Jackson dem Jury-System etwas von seiner früheren rechtsstaatlichen Bedeutung zurückgegeben. Die zwölf Geschworenen ließen sich durch die öffentliche Hysterie nicht einschüchtern. Sie widerstanden auch der suggestiven „Raubtier“-Metaphorik, die die Anklage gegenüber Jackson einsetzte. Sie hielten sich an ihre Aufgabe, Zeugenaussagen und Beweise zu würdigen. Und da ergaben sich eben, wie es in der richterlichen Unterweisung der Jury heißt, „sachlich begründete Zweifel“ an der Schuld.

Auch wenn die Auswahl der Geschworenen im Strafprozess den Angeklagten weite Möglichkeiten einräumt, eine parteiische Jury zu verhindern, hängt sein Schicksal doch weitgehend davon ab, ob er in der Lage ist, diese Jury von seiner Unschuld zu überzeugen.

In dieser Hinsicht ist der Prozess gegen Michael Jackson instruktiv. Ein armer Angeklagter hätte sich mit einer Pflichtverteidigung begnügen müssen, die weder Zeit noch Mittel zur Verfügung gehabt hätte, Gegenermittlungen anzustellen, Zeugen ausfindig zu machen und zur Aussage zu motivieren. Und schließlich im Gerichtssaal selbst eine so überzeugende Strategie zu verfolgen, wie es dem Anwalt Thomas Meserau gelang. Denn um Belastungszeugen als unglaubwürdig darzustellen, bedarf es weit mehr als einer brillanten Rhetorik. Es bedarf der Beweise. Die These, dass das US-Rechtssystem das beste sei, was für Geld zu haben ist, erscheint erneut als nicht ganz abwegig.CHRISTIAN SEMLER