Zum Abschied zwei Ringe und Parfüm

Zwei Tage nach dem Ende der Geiselhaft im Irak berichtet die Korrespondentin der französischen Zeitung „Libération“, Florence Aubenas, über die Umstände ihrer Verschleppung und ihrer Gefangenschaft, gefesselt in einem kleinen Kellerraum

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Am Anfang war sie „Leila“. Dann gaben ihre Entführer ihr einen anderen Namen: „Nummer sechs“. Sie durfte jeden Tag 80 Worte sprechen und 24 Schritte tun. Ihre Hände und Füße waren gefesselt. Wenn sie sich auf ihrer 80 Zentimeter breiten Matratze, die am Boden des licht- und beinahe geräuschlosen Kellerraums von zwei mal vier Meter Grundfläche und eineinhalb Meter Höhe lag, zu sehr bewegte, kam ein Wärter und drohte ihr eine Strafe an. Einmal wurde sie, zusammen mit dem Mitgefangenen auf der Matratze direkt gegenüber ihrer eigenen in dem Kellerraum, herausgeholt. Beide wurden geschlagen. Weil sie angeblich miteinander gesprochen hatten. Sehen konnten sie sich nicht. Ihre Augen waren verbunden. Erst knapp fünf Monate später – wenige Tage vor ihrer Befreiung am vergangenen Samstag – erfuhr Florence Aubenas, dass der Mann, der ihr gegenüberlag, den sie weinen hörte und schwitzen spürte, ihr irakischer Übersetzer Hussein Hanun war.

Am 5. Januar waren die beiden heute 44-Jährigen gekidnappt worden. Sie waren zusammen in einem Flüchtlingszeltlager auf dem Gelände der Universität von Bagdad gewesen, um eine Reportage für die französische Zeitung Libération zu recherchieren. Am Ausgang der Universität zerrten Männer sie in einen Wagen, setzten ihnen Pistolen an die Schläfen und fuhren sie weg. Die Männer von der Eingangskontrolle der Universität schauten aus zwei Meter Entfernung zu. Am Abend desselben Tages wurden Aubenas und Hanun getrennt. Nach 157-tägiger Gefangenschaft wurden sie am Samstag in Bagdad an Agenten des französischen Auslandsgeheimdienstes übergeben.

Zwei Tage nach ihrer Rückkehr nach Paris, drei Tage nach ihrer Befreiung, stellte sich Florence Aubenas gestern in einer langen Pressekonferenz den Fragen ihrer Kollegen. „Ich komme aus einem Kellerraum“, sagte sie eingangs, „ich kann nur berichten, was ich dort erlebt habe. Über alles, was draußen passierte, weiß ich nichts.“

Aubenas hat zwölf Kilogramm abgenommen. „Ich hatte entweder Hunger, oder ich war krank“, sagt sie. Ihre Zeit verbrachte sie zählend: „die Minuten, die Schritte, die Zahl der Geräusche in einem entfernten Rohr“.

Über die Identität und die Motive ihrer Entführer hat sie nichts erfahren können. Immer wieder wurde sie zu Gesprächen mit „The boss“ aus dem Kellerraum geholt. Der sagte ihr, die französische Botschaft sei wenig kooperativ. Nahm mindestens sechs Videos mit ihr auf. Und kritisierte sie als „miserable Geisel“. Weil sie nicht das Richtige, auf die richtige Art sagte. Von Geld war in ihrer Gefangenschaft nie die Rede. Über ihre Artikel oder über ihre Zeitung wusste er nichts.

Über die drei rumänischen Journalisten und Exgeiseln, von denen eine von Bukarest aus erklärt hat, dass sie 50 Tage lang im selben Kellerraum gefangen waren wie Aubenas, sagte die Französin gestern: „Ich kann nur sagen, dass ich mit Hussein gefangen war.“ Ihren hartnäckigen Kollegen bei der Pressekonferenz sagte sie flehentlich: „Es geht hier nicht um eine Frage von Salons. Es geht um anderes.“

Am Samstag kam ein Wärter in den Kellerraum und rief: „Nummer 5 und Nummer 6 – Toilette“. Oben auf der Treppe fügte er hinzu: „Today Paris“. Aubenas wurde in einen Frauenschleier gehüllt und mit verbundenen Augen – zusammen mit Hanun – zur Übergabe gebracht. „Ich hatte immer Vertrauen“, sagte sie gestern, „Frankreich lässt seine Geiseln nicht im Stich.“