Viel Lärm um Krach

Bund und Länder müssen sich heute endlich auf ein Lärmgesetz einigen, wollen sie EU-Strafen verhindern

BERLIN taz ■ Der alltägliche Lärm stört drei von vier Bundesbürgern. Die EU hat längst gesetzliche Schritte gefordert, schon im vergangenen Sommer hätte die EU-Umgebungslärmrichtlinie umgesetzt sein müssen. Doch Bund und Länder können sich nicht einigen, streiten um Kosten. Heute gibt es für sie eine dritte und letzte Chance im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Einigen sie sich nicht, gilt das Gesetzgebungsverfahren als gescheitert. Problem: Es drohen saftige Vertragsstrafen aus Brüssel. Und jedes Bundesland muss sich selbst um ein Lärmgesetz kümmern.

Plötzlich will das Bayern nun verhindern – und hat in seinem Umweltministerium einen eigenen Gesetzentwurf vorbereitet. Sollte er mit der inzwischen schwarzen Mehrheit im Vermittlungsausschuss verabschiedet werden, hätte die rot-grüne Bundesregierung nur noch die Möglichkeit, ihn mit der Kanzlermehrheit im Bundestag niederzustimmen.

Bis gestern war geheim, was im bayerischen Vorschlag steht. Nur so viel war aus dem Münchener Ministerium zu hören: „Wir sind gegen Lärmbürokratismus.“ Bisher ging es beim Streit zwischen Bund und Ländern aber vor allem ums Geld. Niemand will dafür zahlen, dass die vom Krach belasteten Städte und Gemeinden Lärmkarten und Minderungspläne erarbeiten. Die Kosten werden auf 120 Millionen Euro geschätzt.

Die Vorgaben der EU: In Ballungsräumen, an Flughäfen, Hauptverkehrsstraßen und -eisenbahnstrecken muss die Lärmbelastung bis Juni 2007 dokumentiert werden. Bis Juli 2008 sollen konkrete Minderungspläne vorliegen. Später sind dann die kleineren Städte dran. Bis Ende Juni dieses Jahres müssen Brüssel die betroffenen Gebiete gemeldet werden.

Auch künftig wird es keine Lärmgrenzwerte geben, auf die sich BürgerInnen berufen können. Damit hatten ausgerechnet die CDU/CSU-Abgeordneten ihre Ablehnung im Bundestag begründet. Doch immerhin zwingt die EU, Pläne einzuführen, wie das Getöse gemindert werden soll. Offiziell gibt es diese Pflicht in Deutschland schon lange. Nur stehen im Bundesimmissionsschutzgesetz keine einklagbaren Fristen. So haben sich nur zwei Prozent der Kommunen gekümmert. Die meisten scheuen Maßnahmen wie Straßensperren und die Kosten. Deshalb wollte Rot-Grün erlauben, Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu verwenden, die der Bund jährlich an die Länder überweist. Die Länder aber forderten zusätzliches Geld.

Lärmminderung jedenfalls rechnet sich. Krach führt nicht nur zu mehr Herzinfarkten und anderen schwerwiegenden Krankheiten, die sich dann in Krankenhauskosten und Arbeitsausfallzeiten niederschlagen. Auch Immobilienpreise sinken, wenn ein Grundstück lärmbelastet ist. Die EU kalkuliert mit jährlichen Lärmschäden von mehreren Milliarden Euro.

Thorben Prenzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) weist auf die Parallele zur Feinstaubrichtlinie hin. Sie trat Anfang des Jahres in Kraft. Trotz jahrelanger Vorlaufzeit reagierten die Kommunen überrascht. Erst als die ersten Bürgerklagen bei Gericht eingingen, reagierte man in den Rathäusern. „Das gleiche Schauspiel droht nun bei der Lärmrichtlinie“, so der BUND-Mann.

Auch Jochen Richard vom deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung findet die Verzögerung ärgerlich. Vor kurzem habe der Bund den Ländern zwei Milliarden Euro für Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt. „Bei etwas gutem Willen hätte man locker die 120 Millionen für die Umsetzung des Lärmgesetzes daraus bezahlen können“, so der Stadtplaner. ANNETTE JENSEN