: Diese Möbel können Geschichten erzählen
Nachhaltigkeit Marc Rexroth stellt Möbel aus Müll her. Seine Produkte gibt es inzwischen auch in Hamburg
Möbelstücke haben oft viele Seemeilen zurückgelegt, stammen sie doch häufig aus Asien oder Skandinavien. Die Sessel des Unternehmens Reditum haben besonders viele Seemeilen hinter sich gebracht: nicht in einem Container auf einem Frachter, sondern als Seesack der Marine.
„Direktes Recycling“ nennt sich die Methode, durch die der Firmengründer Marc Rexroth die Materialien für seine Einrichtungsgegenstände gewinnt. Er macht aus alten Paletten Regale und aus Fahrradschläuchen und Seesäcken Sessel. „Die Möbel sind aus Sachen, die ihren eigentlichen Sinn erfüllt haben“, sagt der 29-jährige Kölner. „Die werden dann nicht einfach zerschreddert, sondern zu Möbeln verbaut.“
So sind jedes Regal und jeder Sessel ein Unikat. „Manchmal stehen auf den Sesseln zum Beispiel noch die Namen der Soldaten“, sagt Rexroth. Oder auf den Regalen seien noch Stempel und Macken. „Die Möbel haben einfach einen Charakter“, sagt Rexroth begeistert.
Die Materialien, die der gebürtige Heidelberger benutzt, sind eigentlich für den Müll bestimmt: Die alten Fahrradschläuche kommen aus Zweirad-Läden, das Metall für die Winkel aus Schlossereien und die Seesäcke von der deutschen und US-amerikanischen Marine. Produziert wird in Behindertenwerkstätten.
„Ich will zeigen, wie es auch gehen kann“, sagt Rexroth, der Betriebswirtschaft und Sinologie studiert hat. „Nachhaltigkeit hat mich schon immer interessiert“, sagt er. Er finde es schade, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ so inflationär verwendet werde. „Ikea installiert ein paar Solar-Panels auf dem Dach, und dann nennen die sich nachhaltig“, kritisiert er.
Die Möbel werden im Heidelberger und im Kölner Raum hergestellt. Verkauft wird in Köln, Berlin, Heidelberg und Hamburg. Sobald das Unternehmen wächst, will er die Herstellung an die verschiedenen Verkaufsorte verlagern. Dann werden lange Lkw-Transporte hinfällig. Außerdem sei ihm die Arbeit mit Behinderten wichtig. „Man muss diesen Menschen mit besonderen Bedürfnissen nur einen Raum geben“, sagt Rexroth.
Das Gründerkapital hat er durch Nebenjobs erwirtschaftet. Außerdem habe er das „Glück“ gehabt, dass ihm seine Nachbarin ins Auto gefahren sei. „Das war ein alter Mercedes, die können ja einiges ab“, erzählt er. Er hat den optischen Schaden einfach ignoriert und das Geld der Versicherung in das Unternehmen gesteckt.
Der Hamburger Andreas Binroth ist durch eine Messe auf das Unternehmen Reditum aufmerksam geworden. In dem Hamburger Laden „Waldstück“ vertreibt er zusammen mit seiner Frau die Möbel des Unternehmens. „Uns hat nicht das Design, sondern auch die Idee gefallen“, sagt der 34-Jährige. „Wir verkaufen Sachen, die sich rund um den Wald drehen. Natur und nachhaltige Möbel passen natürlich gut zusammen“, sagt er. Binroth verkauft die Möbel allerdings nicht nur, sondern nutzt die Reditum-Regale auch, um seine Ware darauf zu präsentieren. „Die sehen ja auch einfach gut aus“, sagt er. TIMO ROBBEN
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