Alle gegen alle

SCHÖNEFELD Wer hat Schuld am Flughafendebakel? Die taz nennt die Versager beim Namen und bewertet ihr Unvermögen. Höchstnote: 10

Klaus Wowereit

■ Wer: Regierender Bürgermeister, BER-Aufsichtsratschef

■ Was: „Als Aufsichtsrat haben wir kein Interesse daran, die Dinge zu beschönigen“, versichert Wowereit, der das Projekt noch immer als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet. Von großen Versäumnissen kann also keine Rede sein, auch wenn das Berlin-Maskottchen seit Längerem von den Mängeln beim Brandschutz wusste. Deshalb ist es nicht weiter schlimm, dass er in seiner Regierungserklärung viel sagte, ohne jedoch Erklärungen für die Verschiebung zu liefern. Fazit: Die Koordination der Airport-Turbulenzen ist beim Regierenden in ganz sicheren Händen.

Versagergrad: 9,8

Renate Künast

■ Wer: Grüne Exbürgermeisterkandidatin

 Was: Anders als ihr Parteikollege Jürgen Trittin hat Künast noch keine Rücktrittsforderung an Wowereit gestellt. Dabei ist der für Künast Hauptverantwortlicher, weil der nur „die Feiern im Kopf gehabt“ habe. Künast ist sich sicher: „Infrastruktur kann Wowereit nicht.“ Doch ob es unter einer Regierenden Künast im Roten Rathaus anders gekommen wäre? Schließlich hatte sie im Wahlkampf gefordert, aus Schönefeld notfalls einen Regionalflughafen zu machen, und damit gezeigt, dass sie weder von Bauabläufen noch vom neuen Selbstverständnis der Hauptstadt was versteht.

 Versagergrad: 7,0

Die Bauarbeiter

■ Wer: Bauarbeiter

■ Was: Auch die Bauarbeiter tragen ihre Schuld am Desaster. Die haben nämlich zu langsam gearbeitet. Deshalb haben sie ja auch keinen oder nur ein kleinen Teil ihres Lohnes erhalten. Das stand schon so in den Verträgen, etwa der Firma Glamini, die dann so plötzlich insolvent wurde und deren Geschäftsführer auf einmal nicht mehr aufzufinden waren: Bringt der Arbeiter nicht die volle Leistung, kann sein Lohn um bis zu 80 Prozent gekürzt werden. Wenn also jetzt, wie Ver.di kürzlich mitgeteilt hat, ganz viele Arbeiter aus Osteuropa keinen Lohn erhalten haben, kann man eins und eins zusammenzählen: Die haben gar nicht gearbeitet.

 Versagergrad: 80 Prozent

Meinhard von Gerkan

■ Wer: Architekturgott

■ Was: Sein Büro GMP hat den BER-Generalplan entworfen. Schon beim Bau des Flughafens Tegel setzte GMP Akzente in der Flughafenarchitektur. Nun prüft die Flughafengesellschaft angeblich Schadenersatzforderungen gegen GMP. Die Bauzeichner des Büros sollen mit dem Erstellen und der Aktualisierung der technischen Zeichnungen überfordert gewesen sein und immer wieder Wünsche nach Änderungen am Brandschutz an die Baufirmen weitergegeben haben. Es ist nicht der erste Streit über einen GMP-Bau: Das Gezanke mit der Deutschen Bahn über die Ausmaße des Daches am Hauptbahnhof ist eine lange Geschichte. GMP ist auch in China tätig, wo bekanntlich ganz andere Maßstäbe gelten.

■ Versagergrad: kubische 10

Eberhard Diepgen

■ Wer: Ex-Regierender-Bürgermeister, Flughafenstandortbestimmer

■ Was: Von ihm hat man lange nichts gehört – aber das heißt nichts! Gab ja in den letzten Jahrzehnten kaum eine politische Posse in Berlin, an der er nicht beteiligt gewesen wäre. Klar, dass Diepgen auch beim Flughafeneröffnungsdebakel mitmischt. Schließlich war er für alle relevanten Entscheidungen mitverantwortlich: falscher Standort, falsche Größe, falsche Zahlen. Pech für ihn, dass er abgewählt wurde, lange bevor er das Eröffnungsbändchen hätte durchschneiden dürfen. Das ist bitter. Da darf einem doch niemand ein bisschen Schadenfreude verdenken, wenn jetzt andere die Suppe auslöffeln müssen.

■ Versagergrad: a. D.

Gott

■ Wer: Schöpfer

■ Was: Als Papst Benedikt, immerhin Gottes Vertreter auf Erden, im vergangenen Jahr in Berlin einschwebte, landete seine Maschine auf dem Flughafen Tegel. Kein gutes Omen für den Standort Schönefeld. Von dort schickten Geistliche jüngst offenbar Stoßgebete für eine verspätete BER-Eröffnung gen Himmel, denn: Auch die Bauarbeiten an der neuen Kapelle sind noch lange nicht fertig. Gott hatte ein Einsehen, was auch an seiner monopolistisch bedingten Abneigung gegen Flughäfen liegt: Nur Engel sollen fliegen können.

Versagergrad: 9,5

Rainer Schwarz

 Wer: Flughafenchef

■ Was: Zurücktreten? I wo, das weist Schwarz entrüstet von sich. Gelogen? Ach was – man kann als Chef ja auch nicht immer alles wissen. Und was sind denn schon ein paar Monate bei einem Jahrhundertprojekt wie diesem? Schließlich ist das nicht die erste Verschiebung der Eröffnung. Kann ihm ja auch eigentlich niemand verübeln, dass er sich noch ein bisschen Zeit lassen will, ist schließlich kein unangenehmer Job, so ein Flughafenbau. 546.000 Euro Gehalt im Jahr und dabei auch noch genug Zeit, nebenher als Honorarprofessor an der Technischen Fachhochschule Wildau zu lehren. Thema: Flughafenmanagement?

 Versagergrad: 10[2]

Peter Ramsauer

 Wer: Bundesverkehrsminister, Vielflieger

 Was: Auch Ramsauer trägt politische Verantwortung für den neuen Flughafen – der Bund ist zu 26 Prozent Miteigentümer. Öffentliche Schimpftiraden sind von dem Minister aber nicht überliefert. Der Hobbypianist, der gern abtaucht, wenn’s brenzlig wird, spielt die leise Klaviatur: Er mahnt, Berlin könne sich keinen „Pannenflughafen“ leisten und der neue Termin müsse „hieb- und stichfest“ sein. Der muss grad reden, überzieht er doch ständig sein Reisebudget für Auslandstrips. Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2009 war Ramsauer mindestens 50-mal dienstlich im Ausland – mit dem Flieger, versteht sich.

 Versagergrad: 8,5

Willy Brandt

■ Wer: Exbundeskanzler, Namenspatron des Airports

 Was: Die Schlüsselfigur des Schönefelder Baustellenschlamassels. Der Eröffnungstermin ist verschoben, doch das ist Brandt egal. Bis heute schwebt der Exkanzler, von Bus- und Tramfenstern lächelnd, durch die Stadt und lädt zur Eröffnung am 3. Juni ein. Brandts Ignoranz ist nicht verwunderlich, denn wer wäre nicht scharf auf einen Airport, der ihren oder seinen Namen trägt? Doch vielleicht finden es die Flughafenbetreiber gar nicht so schlimm. Schließlich ist es beruhigender, wenn die Menschen statt über Brandschutztüren über einen Friedensnobelpreisträger nachdenken.

Versagergrad: posthum nicht ermittelbar

Hartmut Mehdorn

■ Wer: Chef von Air Berlin

■ Was: An Mehdorns Schuld kann es keine Zweifel geben. Vorstand von RWE, dann Aufsichtsratsvorsitzender bei Dornier. Der Flugzeughersteller ging 2002 pleite. Auch in seinem liebsten Job als Bahn-Manager hat Mehdorn an Pannen nicht gespart: ICE-Achsen, Ausfälle und Verspätungen, der geplatzte Börsengang. Seit September ist er Chef von Air Berlin. Als solcher hatte er ein ominöses Treffen mit Flughafenchef Schwarz, der Mehdorn bestätigte, dass alles nach Plan lief. Mal ehrlich: Mehdorn, der seinerzeit als Bahnchef systematisch Mitarbeiter bespitzeln ließ, der soll nichts gewusst haben?

 Versagergrad: Außer Konkurrenz JS, JOK, TLA