Zum Auftakt der 66. Filmfestspiele in Venedig

Wiedersehen mit Zombies

Kürzlich fuhr ich in einer Geisterbahn. Es war im Wiener Prater, in einer alten, zweistöckigen Anlage. Meine Begleiterin erzählte, dass der rote Adler aus Holz, der auf einem Vordach thronte, das Gesellenstück ihres Großvaters war. Drinnen warteten die bekannten Schreckgestalten auf ihren Auftritt: Hexen, Vampire, Zombies, Mumien und Frauen am Marterpfahl. Richtig gruselig war es nur für kurze Zeit, als das Licht vollständig ausging und alle Geräusche verklangen. Der kleine Wagen fuhr einfach nur durch die Dunkelheit. Ich war froh, als endlich ein Monster aus Pappmaché im Scheinwerferlicht aufleuchtete.

Damit bin ich gut eingestimmt auf das, was mich heute Abend zum Auftakt der 66. Mostra internazionale d’arte Cinematografica am Lido von Venedig erwartet. Nach dem offiziellen Eröffnungsfilm, Giuseppe Tornatores zweieinhalbstündigem Familien- und Sizilien-Epos „Baarìa“, stellen die katalanischen Regisseure Jaume Balagueró und Paco Plaza außer Konkurrenz „[Rec 2]“ vor, ein Sequel von „[Rec]“. „[Rec]“ gehört zu den gruseligsten Horrorfilmen, die ich mir je zugemutet habe; ich guckte ihn zu Hause auf dem Laptop, weil ich mir die große Leinwand nicht zutraute. Den Ton drehte ich vorsichtshalber leiser. Trotzdem schrie ich mehrmals vor Schreck laut auf. Der Film spielt in einem Mietshaus, das die Behörden unter Quarantäne gestellt haben. Denn drinnen wütet ein Virus. Aus den Bewohnern macht es Zombies. Eingeschlossen ist auch das Team der Reality-TV-Show „Während Sie schlafen“. In den letzten Minuten von „[Rec]“ begibt sich die Reporterin durch eine Luke auf einen Dachboden. Dort herrscht Finsternis. Dass die Kamera eine Nachtsichtfunktion hat, hilft nicht viel – im schwachen, grünen Licht ist nichts zu erkennen. Zumal es nur Sekunden dauert, bis die Reporterin aufschreit, tiefer ins Dunkel hineingezogen wird, die Batterie der Kamera versagt und der Film zu Ende ist. Das Sequel, verspricht die Website der Filmbiennale (www.labiennale.org), setzt genau 15 Minuten nach dem Verschwinden der Frau ein.

Dass ein Zombiefilm so prominent am Anfang der Mostra steht, ist nicht außergewöhnlich, schon „[Rec]“ lief vor zwei Jahren zu Beginn des Festivals. Marco Müller, der Direktor, erinnert mit seiner Programmgestaltung gerne daran, dass das Kino ein kleiner Bruder des Jahrmarkts ist; er hat ein Faible für die Spektakel des Genrekinos und die Genüsse der Angstlust. Für den Wettbewerb hat er in diesem Jahr mit „Survival of the Dead“ einen Beitrag von George Romero gewinnen können, von dem Regisseur also, der mit „Night of the Living Dead“ (1968) neue Maßstäbe im Zombie-Genre etablierte und seither in zahlreichen Sequels an Aktualisierungen arbeitet.

Ebenfalls im Wettbewerb läuft „Tetsuo the Bullet Man“ von dem japanischen Regisseur Shinya Tsukamato. Ein amerikanischer Geschäftsmann, der in Tokio lebt, verwandelt sich in ein Wesen aus Dampf, Öl und flüssigem Stahl, nachdem sein Sohn umgebracht worden ist. Schuld an seinem Zustand sind geheim gehaltene Experimente des US-Militärs. Und Joe Dante, in diesem Jahr Mitglied der Wettbewerbsjury, steuert außer Konkurrenz einen Horrorfilm in 3D bei, „The Hole“. Drei Kinder nehmen darin durch ein Loch im Boden Kontakt mit dem Bösen auf, und schon lauern hinter jeder Ecke Nachtmahre und andere fiese Schattenwesen. Zum Glück endet deren dunkle Herrschaft an den Kinotüren. Die Wettervorhersage kündigt für die ersten Festivaltage strahlenden Sonnenschein an. CRISTINA NORD