SPD will keine Sonnenkönige

Geteilte Reaktionen auf Wahlrechtsreform von Schwarz-Gelb: Bürgerrechtler loben Einführung von „Kumulieren“ und „Panaschieren“. SPD gegen Verlängerung der Bürgermeister-Amtszeiten

VON MARTIN TEIGELER

Für ihre geplante NRW-Wahlrechtsreform ernten CDU und FDP Lob und Tadel. Besonders die in den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen avisierte Verlängerung der Bürgermeister-Amtszeiten von fünf auf acht Jahre stößt bei Opposition und Bürgerrechtlern auf Kritik. „Das ist Kokolores“, so SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger gestern zur taz. Es gebe keinen vernünftigen Grund, warum etwa der Bundespräsident nur für fünf Jahre, ein beliebiger Bürgermeister aber auf acht Jahre gewählt werden solle. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete: „So schafft man in den NRW-Kommunen Sonnenkönige.“ Auch Thorsten Sterk vom Verein „Mehr Demokratie“ kritisiert die Ausdehnung der Amtszeiten. „Wenn man das schon macht, hätte auch ein ‚Recall‘-Verfahren her gemusst“, so Sterk. Die Wählerschaft müsse die Möglichkeit haben, einen schlechten Bürgermeister auf demokratischem Wege wieder abzulösen.

Die Wahlen der (Ober-)Bürgermeister und Landräte und die Wahlen der Räte und Kreistage müssten „entkoppelt“ werden, sagt der designierte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP). Während die Kommunalparlamente weiter alle fünf Jahre neu zusammengesetzt werden, sollen die hauptamtlichen Verwaltungschefs ab der nächsten NRW-Kommunalwahl 2009 drei zusätzliche Jahre bekommen. „Damit trägt die Direktwahl der Bürgermeister zur Unabhängigkeit der Amtsträger bei“, so Wolf. Die Wählerschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland kann sich schon einmal auf mehr Wahltermine einrichten.

Schwarz-Gelb will mit der Wahlrechtsnovelle die große Reform der Kommunalverfassung von 1994 weiterentwickeln. Damals führte die SPD-Landesregierung die professionellen Bürgermeister ein. Auf Kreisebene stärkte man den Landrat, der Oberkreisdirektor musste gehen. Bis dahin wurden die NRW-Städte von einem Spitzenduo aus hauptamtlichem Stadtdirektor und ehrenamtlichem Bürgermeister geführt. Der Bürgermeister musste sich in diesem Tandem auf repräsentative Aufgaben und den Vorsitz im Gemeinderat beschränken.

„Dass diese gute Reform nun wieder verändert werden soll, hat wohl versorgungsrechtliche Gründe“, sagt SPDler Ralf Jäger. Schwarz-Gelb wolle den Berufspolitikern unter den Bürgermeistern offenbar entgegenkommen. „Wir brauchen aber eine Stärkung der ehrenamtlichen Kommunalpolitik“, so Jäger.

Rathauschefs, die nach der bisherigen Amtsdauer von fünf Jahren abgewählt worden waren, waren bislang als Wahlbeamte nicht selten schlecht abgesichert. Das komplizierte Beamtenversorgungsrecht sicherte bisher nur diejenigen gut ab, die eine längere Karriere im öffentlichen Dienst hinter sich hatten, sagt der Verwaltungsrechtler Janbernd Oebbecke vom kommunalwissenschaftlichen Institut der Uni Münster. „Wer als Quereinsteiger in das Amt kam und nach fünf Jahren wieder abgewählt wird, bekommt keine Pension“, sagt er. Erst nach acht Amtsjahren kassieren die Elder Statesmen der Städte und Gemeinden 35 Prozent der Dienstbezüge.

Lobende Worte finden SPD und Bürgerrechtler für den Plan, in NRW das „Kumulieren“ und „Panaschieren“ (siehe Infokasten) einzuführen. „Damit bekommen die Bürgerinnen und Bürger endlich die Möglichkeit, die von ihnen favorisierten Kandidaten gezielt auszuwählen, statt nur die von den Parteien vorgegebene Liste abzunicken“, sagt Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von „Mehr Demokratie“. Dadurch hätten die Wähler mehr Macht. Auch den Politikern bringe die Reform mehr Unabhängigkeit von ihren Parteien, „weil sie bei ihrer Kandidatur nicht mehr so auf deren Unterstützung angewiesen sind“, erläuterte Schily die Vorteile dieses differenzierten Wahlsystems. NRW mache damit „einen weiteren Sprung vorwärts“. Für SPD-Innenpolitiker Jäger ist das „Kumulieren“ und „Panaschieren“ ein „Beitrag“ zur Stärkung der kommunalen Demokratie. Das neue, komplizierte Wahlrecht könne aber auch negativ wirken, so der Oppositionelle. „Ein quadratmetergroßer Stimmzettel könnte einige Bürger von der Wahl abschrecken.“