Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Die Vögel“ (OF), 22. 6. im Arsenal 2

Es geht ausnehmend clever los in Bill Condons filmischer Biografie des amerikanischen Sexualforschers Alfred C. Kinsey: In der Simulation eines Interviews, mit der Kinsey (Liam Neeson) seine Mitarbeiter auf die Situation einer Befragung zum heiklen Sujet Sexualität vorbereitet, beantwortet der Professor frank und frei die vorgegebenen Fragen höchstselbst. So gerät man flott aus der schwarzweißen Gegenwart in eine farbige Vergangenheit und ist beim Kern des Films angelangt: Kinseys andauerndem Kampf gegen althergebrachte Moralvorstellungen und die damit einhergehende Unwissenheit in Sachen Sex.

Unwissend ist der aus einem konservativen Elternhaus stammende Biologe allerdings zunächst einmal selbst. Die Szenen der Affäre mit seiner späteren Frau Clara (Laura Linney) sind komisch und rührend zugleich: Stocksteif nähern sich die beiden einander an, verkrampft und vergeblich mühen sie sich in der Hochzeitsnacht miteinander ab und müssen schließlich selbst Rat bei einem Arzt suchen.

In Momenten wie diesen erzählt die sorgfältig inszenierte Körpersprache der Akteure oft mehr über ihr Verhältnis zueinander als die Dialoge. Dass es Kinsey mit seinen statistischen Erhebungen in den 40er- und 50er-Jahren gelang, den biologischen Vorgang Sex von moralischen Fragen abzukoppeln, bleibt sicher ein bis heute währendes Verdienst. Dass dies aber auch zu Problemen führen kann, verschweigt der Film beim Blick auf das Leben des Forschers und seiner Mitarbeiter nicht: Die von ihnen praktizierte Libertinage bereitet im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen immer wieder einige Schwierigkeiten.

„Der Untertan“, 17. 6. in den Eva-Lichtspielen

Einer der wichtigsten Filme der Defa ist zweifellos Wolfgang Staudtes Verfilmung von Heinrich Manns 1918 erschienenem Roman „Der Untertan“. Die böse Satire auf das Kaiserreich und die Untertanenmentalität der Deutschen verfolgt die Lebensstationen des Diederich Heßling (Werner Peters) vom Studenten zum „honorigen“ Fabrikanten, wobei sich der „Untertan“ immer wieder als ausgesprochenes Charakterschwein erweist: Er lässt eine von ihm geschwängerte Frau sitzen, spielt sich als Familientyrann auf und terrorisiert die Arbeiter in seiner Fabrik. Und wie er nach unten tritt, so katzbuckelt er nach oben und macht dabei politisch und wirtschaftlich Karriere.

Doch eigentlich hat Heßling vor allem Angst: Allein die Flucht in autoritäre Strukturen und das strikte Befolgen von Befehlen bietet ihm im Leben einen gewissen Halt. Ein Porträt des perfekten Opportunisten, mit Werner Peters in seiner besten Rolle.

„Kinsey“, 19. 6. im Freiluftkino Friedrichshain; 22. 6. im Sommerkino Museumsinsel

Immer wieder gern gehört: Oskar Sala am Mixturtrautonium, einem recht exotischen Instrument, mit dem der unlängst verstorbene Musiker die außergewöhnlichen elektronischen Klänge zu Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ schuf. Also ab nach Bodega Bay mit Melanie, Mitch und seiner Mutter – und den gefiederten Freunden, die dank Sala diesen infernalischen Krach machen. LARS PENNING