Körting schützt die Integrierten

Innensenator will Altfallregelung für Flüchtlinge. Ministerkonferenz soll beschließen: Wer seit sechs Jahren in Deutschland lebt und Kinder hat, darf bleiben. Spezielle Regelung für Palästinenser

VON MARINA MAI

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will Flüchtlingen und Asylbewerbern mit langjährigem Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht gewähren. Einen entsprechenden Antrag hat er für die Innenministerkonferenz eingebracht, die in der kommenden Woche in Stuttgart tagt. Die letzte so genannte Altfallregelung hatte die Innenministerkonferenz im November 1999 erlassen. Körtings Sprecher Martin Steltner erklärt der taz: „Es geht um Erleichterungen für Familien mit Kindern, die hier integriert sind. Es macht keinen Sinn, diese Kinder in das Herkunftsland ihrer Eltern zurückzuschicken, das sie oft gar nicht kennen.“

Die Regelung beträfe nur Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden können, etwa aus gesundheitlichen Gründen wie Diabetes oder weil die Menschenrechtssituation in ihrem Herkunftsland dies nicht erlaubt. Bisher haben diese Menschen alle halbe Jahre ihre Duldung verlängern müssen. Würde Körtings Vorschlag umgesetzt, erhielten sie ein Bleiberecht, also eine befristete Arbeitserlaubnis für zwei Jahre einschließlich einer Arbeitserlaubnis. Bundesweit würden deutlich über 100.000 Menschen von dieser Regelung profitieren.

Konkret sieht der Antrag des Landes Berlin eine Aufenthaltsperspektive für Familien mit minderjährigen Kindern vor, die mindestens seit Juli 1999 in Deutschland leben, etwa weil das Asylverfahren so lange dauert oder weil eine Ausreise in ihr Herkunftsland aus objektiven Gründen nicht möglich war. Voraussetzung ist, dass die Familien ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, keine Straftaten begangen haben und ihre Kinder der Schulpflicht nachkommen.

Schwer zu erfüllen ist vor allen die Forderung, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, denn die Betroffenen dürfen in der Regel gar nicht arbeiten. Vergangene Bleiberechtsregelungen räumten den Flüchtlingen zwar deshalb eine Frist für die Arbeitssuche ein, dennoch scheiterten viele Flüchtlinge an dieser Hürde.

Eine besondere Regelung soll nach Körtings Willen für Palästinenser aus dem Libanon und dem Gaza-Streifen gelten. Sie sollen ein Bleiberecht bereits bekommen, wenn sie seit mindestens 18 Monaten in Deutschland sind, auch dann, wenn sie von Sozialhilfe leben. Bei ihnen soll es auch keine Rolle spielen, ob sie Kinder haben. Diese Palästinenser sind staatenlos. Ihre Abschiebung ist nicht möglich.

Ziel des Zuwanderungsgesetzes sei es, so argumentiert Körting in seinem Antrag, Kettenduldungen zu verhindern. Gerade viele Palästinenser lebten seit Jahrzehnten von Duldungen. Sie hätten von früheren Bleiberechtsregelungen nicht profitieren können, weil sie keine Arbeit gefunden hatten.

Allerdings hat die Regelung für die Palästinenser einen Pferdefuß. Sie könnten ihr Bleiberecht wieder verlieren, wenn die libanesische Regierung ein Rückübernahmeabkommen mit der Bundesrepublik unterzeichnet. Ein solches Abkommen ist bereits ausgehandelt. Es würde den Libanon verpflichten, auch staatenlose Palästinenser aufzunehmen, die seit Generationen in libanesischen Flüchtlingslagern vegetieren. Das Abkommen ist noch nicht ratifiziert worden. Wegen des Regierungswechsels im Libanon ist es fraglich, ob das überhaupt passiert.

Unklar ist aber auch, ob der SPD-Senator in der CDU-dominierten Innenministerkonferenz für seinen Antrag eine Mehrheit findet. Dem Vernehmen nach sollen viele Innenminister noch unentschlossen sein.

Flüchtlingsräte in allen Bundesländern unterstützen jedoch den Berliner Vorschlag. Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat sagt: „Eine Bleiberechtsregelung ist überfällig. Das Aktionsbündnis ‚Hier geblieben!‘ wird in Stuttgart vor Ort sein, um Herrn Körting zu unterstützen.“