neues aus neuseeland: handwerker in der gestapo-hölle von ANKE RICHTER
:

Wir haben im nettesten Land der Welt ein altes Haus gekauft und renovieren es gerade. John mit dem passenden Nachnamen Painter ist für die Küche zuständig. Während er herumschraubt, dudelt sein Transistorradio. Unter all den entspannten neuseeländischen Handwerkern ist er sicher der entspannteste. Er lässt sich bar bezahlen, und das wenig. Für John werfe ich gern die Kaffeemaschine an. Ich kommentiere die Farbe, er grinst oder nickt und schweigt. Man versteht sich.

Eines Morgens ist John verstört. Er knallt das Kofferradio auf den halbfertigen Küchentresen. Ob ich eine Gerlinde kenne. Sie ist Deutsche. Zum Glück muss ich passen. „Die hat mich heute früh völlig fertig gemacht“, sagt John. Er greift fahrig nach der Kaffeetasse und wirkt aufgebracht. Gerlinde, stellt sich heraus, ist eine alleinstehende, anstrengende, hochkomplizierte Akademikerin, die eine neue Küche braucht. Alles darin muss ökologisch sein, von der Farbe bis zur Schraube. „‚Keine Chemie, kein Plastik!‘, hat sie mich angeschrien“, stöhnt John. „Dabei ist das ganz unmöglich.“ Gerlinde wollte einen Plan, auf dem jeder Millimeter Material aufgelistet ist. „Sie sagte, wenn sie ein Auto kauft, guckt sie sich das auch vorher an.“ Zwei Küchenbauer vor ihm haben bereits auf halber Strecke hingeschmissen.

Ich ahne, was kommt. John ging mit Gerlinde die Zeichnungen fotokopieren. Dort legte sie sich sofort mit dem Verkäufer an. „Dabei hatte sie nur vergessen, den Start-Knopf zu drücken.“ John windet sich bei der Vorstellung. „Wie sie mit den Leuten dort umgesprungen ist!“ Ich kann’s mir lebhaft vorstellen. Selbstbewusstes Auftreten gilt im Reich der Schafe und Hobbits als rüde. Korrigieren, kritisieren, beschweren – das tut ein Kiwi schon aus Höflichkeit nicht.

Ganz im Gegensatz zu unsereins. Gerlindes Auftritt klingt nach guter germanischer Schule. Anscheinend hat sie auch John so einiges an den Kopf geworfen. Der reinste Öko-Terror: „Warum ich ihr nicht gesagt habe, dass ich Kleber benutze!“ Er geht in die Knie und demonstriert mir das Drama: „Da unten saß ich, nahm Maß, und sie keifte über mir. So wie sie mich behandelt hat, hätte sie auch …“, er holt kurz Luft und spuckt es aus, „ …für die Gestapo arbeiten können!“

Wir sind beim Thema. Jetzt kommt mein Einsatz: Mich mit Grauen abwenden von den Landsleuten, die sich ungefragt, ungestraft und uncharmant in diesen Breitengraden tummeln. Wenn sie als Trampel auffallen, liegt das selbstverständlich an der kollektiven braunen Vergangenheit. Das hat man halt im Blut.

Gerlinde ist die beste Steilvorlage. Ich zeige Mitgefühl und weiß genau, was John hören will. Furchtbar, solche Blockwart-Naturen. Führen sich hier schlimmer auf als zu Hause. Vielleicht sollte ich noch „Nazi Bitch“ einstreuen. Dann sind die Fronten klar, und ich bin auf der richtigen Seite. Haare wie Sauerkraut, Beine wie Bratwürste – darüber lacht John Painter garantiert. Er feixt: „Hör dir mal die Nachricht auf meiner Mailbox an.“ Ich höre. Gerlinde beschwert sich mit starkem teutonischem Akzent, wo ihr Handwerker abgeblieben sei. „Ahf Widderßähn“, knurrt dieser und schaltet das Handy aus. Ich schlage als Zugabe meine Hacken zusammen.