Neue Fragen an den UN-Generalsekretär

Laut einer internen E-Mail soll Kofi Annan doch 1998 eine Schweizer Firma beraten haben, wie sie im Öl-für-Lebensmittel-Programm mit Irak an Aufträge kommt. Daran kann sich Annan nicht erinnern. Bei „Contecna“ bezog auch sein Sohn Gehalt

VON BERND PICKERT

UN-Generalsekretär Kofi Annan sieht sich im Zusammenhang mit dem Öl-für-Lebensmittel-Programm für Irak mit neuen Fragen konfrontiert. Das Schweizer Unternehmen Contecna übergab der vom ehemaligen US-Notenbankchef Paul Volcker geleiteten UN-Untersuchungskommission, die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Programm aufklären soll, eine interne E-Mail aus dem Jahr 1998. Die Mail, geschrieben vom damaligen Contecna-Vizepräsidenten Michael Wilson am 4. Dezember 1998 und gerichtet an die drei Contecna-Topmanager, berichtet von einem Treffen mit dem UN-Generalsekretär in Paris: „Wir hatten kurze Diskussionen mit dem GS und seiner Entourage. Deren einhelliger Ratschlag war, dass wir bei der Frage-Antwort-Runde vom 1. Dezember 1998 so gut wie uns immer möglich antworten sollten und dass wir auf ihre Unterstützung zählen können.“ Am Ende dieser Sitzung vom 1. Dezember stand ein Zehn-Millionen-Dollar-Auftrag der UNO für Contecna, jene Firma also, für die bis 1997 auch Annans Sohn Kojo gearbeitet und von der er noch bis 2004 Bezüge erhalten hatte.

Sollte das Treffen wie beschrieben stattgefunden haben, dann widerspräche das der bisherigen Darstellung Kofi Annans, die sich die Volcker-Kommission in ihrem Bericht von März zu Eigen gemacht hatte. Denn Kofi Annan hatte stets beteuert, er habe vor dem Januar 1999 überhaupt nichts davon gewusst, dass sich Contecna am Ausschreibungsverfahren für das Irak-Programm beteiligte.

Jetzt auf die E-Mail angesprochen, erklärte Kofi Annans Sprecher Fred Eckhard, weder der Generalsekretär selbst noch die damalige Reisekoordinatorin könnten sich an ein solches Treffen erinnern. Möglich sei allerdings, ergänzte Eckhard, dass sich Annan privat mit seinem Sohn getroffen habe – oder mit Michael Wilson. Denn der ist der Sohn eines engen Freundes von Annan und redet vom UN-Generalsekretär als „Onkel“.

Contecna, die das interne Memo jetzt übergeben hat, relativiert dessen Bedeutung. Roger Carrol, ein Contecna-Sprecher in London, verweist auf „schwerwiegende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit dieser Mitteilung“. Er habe nie viel von einem etwaigen Kontakt Wilsons zu Annan gehalten. Contecna habe Wilson jedenfalls nicht zu solchen Gesprächen autorisiert. Nicht nur habe Contecna überhaupt keinen Anlass gehabt, auf irgendwelche Tricks zurückzugreifen, weil man mit Abstand der beste Bewerber gewesen sei. Auch Michael Wilson, der die Firma inzwischen verlassen hat, sei jemand, der „seine eigene Wichtigkeit übertrieben“ habe und dessen Berichte stets mit Vorsicht zu genießen seien.

Bislang war die Untersuchungskommission trotz der bekannten familiären und freundschaftlichen Verbindungen Kofi Annans zu führenden Contecna-Mitarbeitern davon ausgegangen, dass sich der Generalsekretär nie in Ausschreibungsverfahren eingemischt hat.