Unterschätzte Jugend vor dem Finale

Der VfL Bochum schlägt im Halbfinal-Hinspiel um die Deutsche Fußball-Meisterschaft der A-Junioren die Altersgenossen von Hertha BSC Berlin mit 2:1. Die Verantwortlichen beklagen mangelndes Interesse der Öffentlichkeit

BOCHUM taz ■ Die Erwartungen vor dem Halbfinalhinspiel um die Deutsche A-Jugend-Meisterschaft waren eher gedämpft. „Die A-Jugend-Bundesliga wird in ihrer Außendarstellung unterschätzt.“ Mit dieser Feststellung waren sich Sascha Lewandowski, A-Jugend-Trainer des VfL Bochum und Dirk Schlegel, Kollege der Hertha aus Berlin, einig. Die Arbeit sei zwar quasi professionell – tägliches Training ist obligatorisch – werde aber von der Öffentlichkeit kaum wahr genommen. Fernseh-Kameras waren jedenfalls nicht vor Ort.

Hinterher mussten die Trainer ihr Urteil leicht revidieren: 5.200 Zuschauer kamen ins Bochumer Ruhrstadion. Zehnmal mehr als üblich. Respekt. Sie sahen ein schnelles Spiel und einen 2:1-Erfolg der heimischen 17-19-Jährigen gegen die aus der Bundeshauptstadt. Im Rückspiel am kommenden Sonntag reicht der Ruhrgebietsjugend ein Unentschieden, um sich für das Finale am 25. Juni im Celler Günther Volker-Stadion zu qualifizieren.

Die Endrunde der Jugendmannschaften wird zumindest vom VfL Bochum ernst genommen. Zum dritten mal in Folge erreichte die A-Jugend als Meister der Bundesliga West das Halbfinale der Deutschen Meisterschaft. Die Mannschaften der auch im Nachwuchsbereich finanziell wesentlich potenteren Vereine Schalke 04, Bayer Leverkusen, 1. FC Köln und Borussia Dortmund wurden relativ klar distanziert. „Wir müssen als Kollektiv funktionieren“, sagt Sascha Lewandwoski.

Gegen die Hertha funktionierte dieses Kollektiv zum wiederholten Mal. Trotz der individuellen Unterlegenheit arbeiteten die Bochumer mit etwas Glück eine 2:0-Führung heraus. Torschützen waren Haluk Türkeri, mit 34 Treffern schon in der Bundesliga erfolgreich, und Dennis Grote, der einzige Bochumer Nationalspieler, zudem mit fünffacher Bundesligaerfahrung ausgestattet. Die Berliner sind in ihrer Routine schon ein wenig weiter, trotzdem kamen sie erst in der Nachspielzeit zum späten, aber wichtigen Anschlusstreffer.

Zu diesem Zeitpunkt quälten sich die Bochumer längst mit Wadenkrämpfen über den stumpfen Rasen. Dennis Grote und Kapitän Thorsten Barg lagen während der Schlussphase muskulär geschwächt auf der Auswechselbank. Am Selbstbewusstsein hat der späte Gegentreffer dennoch nichts geändert. „Wir können jeden Gegner schlagen, dass haben wir heute wieder gezeigt“, sagte Dennis Grote nach dem Spiel. Trainer Sascha Lewandowski dürfte also keine Probleme haben, die „Emotionen in die richtige Bahn zu lenken“.

Der Nachwuchs lebt von Emotionen. „In der ersten halben Stunde waren wir sehr verkrampft und Hertha hatte einige gute Chancen“, sagte Lewandowski nach dem Spiel. Die ungewohnte Kulisse wirke auf Psyche und Physis seiner Mannen. Drei Tore fielen, dreimal mehr hätten fallen müssen. Die taktischen Vorgaben wurden lockerer interpretiert als bei den Profis, Überzahlsituationen waren eher die Regel als die Ausnahme.

Ob der Jugendfußball dieses positive Bild und diese Kulisse, hinüberretten kann, ist zweifelhaft. Für das Spiel wurden 3.000 Freikarten an Bochumer Schulen verteilt. Zum gleichzeitig stattfindenden Halbfinale zwischen dem VfB Stuttgart und Greuther Fürth kamen nur 700 Zuschauer – natürlich nicht ins große Gottlieb-Daimler-Stadion. Sinnigerweise setzte der Deutsche Fußballbund (DFB) die Endrunde der Deutschen Meisterschaft parallel zum Eröffnungsabend des Confederations-Cup an. Die Terminierung der Rückspiele am kommenden Sonntag um 11.00 Uhr morgens erweist sich auch nicht gerade als fanfreundlich. Änderungen scheinen vom DFB nicht geplant. Der Nachwuchs bleibt unterschätzt.

HOLGER PAULER